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Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter

Titel: Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter
Autoren: Anthony Mark
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Dahinter kamen Rauch und gedämpftes, goldenes Licht zum Vorschein. Sareth klappte eine Holztreppe hinunter, dann stieg er in den Wagen. Erst jetzt fiel Lirith sein Bein auf.
    Sareths lose Hosen endeten direkt unterhalb seiner Knie. Rechts waren der nackte Unterschenkel und der Fuß wohl geformt. Doch links gab es unterhalb des Knies kein Bein mehr, sondern ein kunstvoll geschnitztes Holzstück, das in einem Bronzeaufsatz endete. Das Holzbein stieß dumpf auf die Treppenstufen, als Sareth in den Wagen stieg.
    »Kommt«, sagte er zu den drei Wartenden.
    Lirith hob den Saum ihres Gewandes und stieg die Stufen hinauf, gefolgt von Aryn und Durge. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass für sie alle genug Platz in dem Wagen war. Aber das war der Fall – so gerade eben. Eine einzelne Öllampe verbreitete Licht, aber Lirith konnte weder die Wände noch die Decke ausmachen, da überall Krüge, Töpfe und Sträuße getrockneter Sträucher hingen. Sareth bedeutete ihnen, auf drei kleinen Hockern Platz zu nehmen, während er sich vor die Tür stellte und das abnehmende Tageslicht aussperrte.
    »Das kostet jeden von euch eine Silbermünze«, sagte die krächzende Stimme, die sie zuvor gehört hatten, die jetzt nur lauter war.
    Erst da wurde Lirith klar, dass das, was sie für ein an der Wand lehnendes Bündel Lumpen gehalten hatte, tatsächlich eine Frau war.
    Sie war uralt. Ihr Körper verschwand in der verschlungenen Masse aus Teppichen und Decken, die die Sitzbank bedeckten, aber der Arm, den sie ausstreckte, war so dünn und verwittert wie ein Stock. Ihr Kopf wippte auf einem langen, verkrümmten Hals, und auf ihrem Kopf gab es nur noch ein paar dünne, graue Haarsträhnen. Doch die Augen inmitten der zahllosen Falten ihres Gesichts schauten hell und so warm wie der Erntemond. Armreifen knisterten an ihrem knochigen Handgelenk, an ihren Ohren baumelten große Ringe.
    Bevor Lirith etwas erwidern konnte, streckte Durge drei Silbermünzen aus. Die Alte riss sie ihm aus der Hand und biss mit ihrem scheinbar letzten Zahn einmal fest auf jede Münze. Dann grunzte sie, zauberte das Geld irgendwo in die Tiefen ihrer Lumpen und richtete ihre großen Augen auf die Besucher.
    »Du bist von Macht gezeichnet«, krächzte die Alte und zeigte mit einem langen Finger auf Aryn.
    Die Baronesse starrte sie an. »Was … was meint Ihr damit?«
    »Dein Arm«, sagte die Frau.
    Aryn hob die Hand, um ihren verkümmerten rechten Arm festzuhalten, der wie immer von einer Falte ihres Gewandes verborgen in einer Leinenschlinge ruhte.
    »Wenn eine große Gabe verliehen wurde, verlangt das Gleichgewicht immer etwas als Gegenleistung«, sagte die Greisin mit ihrer rauen Stimme. »Einst war ich wunderschön, bis ich mein Shes’thar entdeckte.«
    Durge sah Sareth stirnrunzelnd an. »Ihr Shes’thar?«
    »Sie meint ihre Magie.«
    Jetzt richtete Durge seinen ernsten Blick auf Aryn, aber er sagte nicht, was er dachte.
    »Sareth, meine Karten«, bellte die Alte.
    »Sie liegen genau neben dir, Al-Mama«, sagte er sanft.
    »Natürlich liegen sie da.« Die Alte riss ein Kartenspiel von einem kleinen Regalbrett. Eine weitere vogelähnliche Hand schob sich aus den Lumpen, und sie mischte die Spielkarten mit energischen Bewegungen. »Jeder von euch muss eine Karte von dem T’hot-Spiel ziehen.«
    Sie fächerte die Spielkarten. Ihre Rückseiten waren verblichen und die Ecken mitgenommen, aber noch immer funkelten silberne Symbole auf mitternachtsblauer Tinte. Lirith tauschte Blicke mit Aryn und Durge aus, dann griff sie zu. Als sie gegen eine der Karten stieß, schienen ihre Fingerspitzen zu kribbeln, und sie zog sie. Die anderen folgten ihrem Beispiel.
    »Du«, sagte die Alte und nickte Durge zu. »Zeig mir, was du gezogen hast.«
    Durge drehte die Karte um und enthüllte ein Bild, das zugleich düster und strahlend hell war. Es stellte einen Mann mit dunklen Haaren und Augen dar, der neben einem Tümpel stand, auf dessen Oberfläche sich der an einem schieferblauen Himmel schwebende Mond spiegelte.
    Nein, nicht nur ein Mann, Lirith. Sieh dir das Schwert in seiner Hand an und seine Rüstung. Er ist ein Ritter – ein Ritter, dessen Schild von einem Mond geschmückt wird.
    Die Alte nahm die Karte und strich mit einem gelb verfärbten Fingernagel über ihre Oberfläche. »Der Ritter der Monde. Du bist ein Mann des Krieges – vertrauenswürdig und stark. Und doch wirst du vom Herzen beherrscht. Und so voller Trauer! Du glaubst, du kämpfst allein, aber dem ist
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