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Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter

Titel: Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter
Autoren: Anthony Mark
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sie nur so hartherzig und vergesslich sein?
    Aber vielleicht war das ja gar nicht so ungewöhnlich für sie.
    Du hast die Person vergessen, die für dich Qualen erlitt …
    Es war die Wahrheit, es gab jene, die ihretwillen gelitten hatten, aber Aryn hatte sie nicht vergessen. Sie würde niemals den guten Garf vergessen, der bei dem Versuch, sie vor einem tollwütigen Bären zu retten, gestorben war. Oder den tapferen und gebrochenen Sir Meridar, der sich geopfert hatte, um Tira und Daynen zu retten und sich in ihren Augen als ihrer wert zu erweisen. Und Leothan würde sie mit Sicherheit ebenfalls niemals vergessen.
    Ein Frösteln durchfuhr sie, so wie immer, wenn sie an die Nacht der vergangenen Wintersonnenwende dachte, als der hübsche Adlige, der ihr so gefallen hatte, sie in ein Nebengemach gezogen und geküsst hatte. Einen Augenblick lang hatte es den Anschein gehabt, als würden alle ihre Träume in Erfüllung gehen. Bis er sie vergewaltigen wollte, sich als Eisenherz entlarvte. Da war die Wut in ihr aufgestiegen und mit ihr eine Macht, von der sie nicht gewusst hatte, dass sie sie besaß, die aus ihr herausgeströmt war und Leothans Gehirn in Brei verwandelt hatte. Sie hatte immer geglaubt, dass das Böse etwas war, das in den Herzen anderer lauerte; bis zu diesem Augenblick hatte sie nicht gewusst, dass es auch in ihrem wohnte.
    Nein, diese Nacht würde sie niemals vergessen – sie konnte sie nicht vergessen. Viel wahrscheinlicher, dass die alte Mournisch einfach nicht mehr ganz richtig im Kopf war.
    Und was war mit der Karte? Es war das gleiche Bild wie bei der Vision, die du gesehen hast, als Ivalaine dich an jenem Tag auf Calavere in das Wasser sehen ließ. Woher konnte die Alte das gewusst haben?
    Bevor ihr eine Antwort einfallen konnte, spürte sie eine Hand auf der Schulter.
    »Kommt, Schwester«, sagte Lirith. »Die Königin erwartet uns.«
    Während Diener Fackeln entzündeten und die Korridore mit warmem Licht erfüllten, eilten die beiden Frauen durch das Schloss.
    Ein schrilles, sprudelndes Lachen erscholl.
    Aryn und Lirith blieben ruckartig stehen, als eine in Gelb und Grün gekleidete, spindeldürre Gestalt aus einem Alkoven sprang, mitten in der Luft einen Salto schlug und mit klirrenden Silberglöckchen vor ihnen landete.
    »Meister Tharkis!«, stieß Aryn hervor.
    Der dürre Mann entblößte verfaulte Zähne zu einem Grinsen, breitete die Arme aus und verbeugte sich so tief, dass sein spitzes Kinn den Boden berührte. »Zwei Abendvögel, der eine braun, der andere blau, fliegen zu ihrer Herrin Nest.« Er erhob sich, und ein durchtriebener Schimmer schlich sich in seine ständig schielenden blauen Augen. »Aber werden sie mit den Flügeln schlagen oder singen, wenn sie bestehen müssen ihren Test?«
    Lirith erholte sich schnell und richtete sich zu voller Größe auf. »Narr, wir haben jetzt keine Zeit für so etwas. Die Königin erwartet uns.«
    Der Mann lachte, machte einen Luftsprung, und die Glöckchen auf seiner bunten Mütze klirrten.
    »Was wird uns wohl erwarten, Mit welchem Schicksal sich begnügen?
Haben wir uns doch so verspätet,
Bestimmt wird sie uns rügen.«
    Liriths dunkle Wangen röteten sich, und sie öffnete den Mund zu einer Erwiderung. Jedoch kam Aryn ihr mit einem übertriebenen Stirnrunzeln zuvor.
    »Ist das der beste Reim, der Euch einfällt, Meister Tharkis? Ich fürchte, er ist nicht besonders gut.«
    Der Narr wieselte nach vorn. Seine knochigen Knie ragten unter dem Stoff seiner verblichenen grünen Hose hervor, und seine spitzen Schuhe waren angestoßen und voller Schlamm. Er verschränkte die dürren Finger, seine launischen Augen strahlten hell. »Und glaubt meine süße Jungfer, in so kurzer Zeit einen geistreicheren Reim schmieden zu können als meine Wenigkeit?«
    Aryn nahm die Schultern zurück. »Ich glaube, das könnte ich schon. Tatsächlich wette ich sogar, dass ich einen besseren Reim aus Eurem Namen machen kann als Ihr aus dem meinen.«
    Lirith warf ihr einen finsteren Blick zu, aber Aryn ignorierte ihn. Tharkis klatschte in die Hände und grinste wieder.
    »Ein Spiel! Ein Spiel!« Er schlug noch einen Salto. »Ein Narr liebt jedes Spiel. Bitte, Mylady, nehmt meinen Namen und reimt möglichst viel.«
    Aryn holte Luft. Der Hofnarr von Ar-Tolor hatte die Neigung, sich einem zum unpassendsten Zeitpunkt aufzudrängen, und sein Spiel mitzuspielen schien der schnellste Weg zu sein, an ihm vorbeizukommen. Allerdings war sie sich plötzlich nicht mehr so
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