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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung
Autoren: Stephan M. Rother
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ist nicht sicher, wo?«, hakte der Kardinal nach.
    Helmbrecht hob die Schultern. »In seinem Heim in Ephesus, wie er behauptet. Falls das für Sie einen Unterschied macht...«
    Der greise Kirchenmann zögerte, dann schüttelte er den Kopf.
    »Uns muss klar sein«, fuhr Pio nach einem Blick in die Runde fort, »dass diese Dokumente von fundamentaler Bedeutung sind auf unsere Sicht der Heilsgeschichte. Dass es in unserem Interesse stehen muss, sie der Öffentlichkeit...«
    »Mit Verlaub, Sua Santità!« Bracciolinis Stimme klang schnarrend. Er sprach leise, doch ohne Zittern. »Dieses Interesse kann ich nicht sehen. Ist es nicht unsere, und ist es nicht vor allem Ihre Aufgabe, das Vermächtnis des Mannes zu bewahren, aus dessen Händen Sie die Schlüsselgewalt übernommen haben? Wem ihr die Sünden erlasst, dem sind sie erlassen; und wem ihr sie anrechnet, dem sind sie angerechnet . «
    Der pontifice nahm einen Schluck aus seiner Tasse, dann nickte er ernst. »Das ist ein gewichtiger Einwand, Eminenz, und ich bin dankbar, dass Sie ihn hier vorbringen. Aber der Schlüsselgewalt Petri wird in diesen Dokumenten keineswegs widersprochen, ganz im Gegenteil stellt Johannes sie noch einmal ausdrücklich heraus. Wenn Sie sich das letzte Bruchstück dieser Dokumente...«
    »Das sind keine Dokumente!« Völlig unvermittelt wurde die Stimme des Kardinalsekretärs schrill. »Das sind Fälschungen! Und wenn Sie mit einem Experten kommen, der sie für echt hält, bringe ich Ihnen zwei, die sie als Fälschungen bezeichnen! Ich werde nicht zulassen, dass Sie...«
    Der afrikanische Kardinal legte beschwichtigend die Hand auf den Arm des Kardinalstaatssekretärs, der sie heftig fortstieß. Eine ungesunde Röte trat auf Bracciolinis Gesicht. »Ich werde nicht zulassen, dass Sie zweitausend Jahre der Zivilisation in Gefahr bringen um... um...«
    »Um der Wahrheit willen«, sagte Pio sanft.
    »Was ist Wahrheit?«, zischte der Kardinalstaatssekretär.
    Die Worte des Pilatus, dachte Amadeo, was immer das bedeuten mag. Im Grunde war es ganz passend: Hatte nicht Pilatus seine Hände in Unschuld gewaschen — auch wenn Johannes kein Wort davon berichtete? Pilatus hatte zuletzt klein beigegeben, Bracciolini dagegen sah entschieden nicht danach aus.
    Die Hände des Kardinalstaatssekretärs krampften sich um die Tischkante. Mit flammendem Blick sah er zwischen den anderen Kirchenfürsten hin und her. Ihr Unbehagen war an jeder einzelnen Miene abzulesen.
    Wie viele dieser Männer stammten aus Bracciolinis alter Garde, fragte Amadeo sich. Der Afrikaner sicher nicht. Aber die Übrigen? Wie viele würden ihn offen unterstützen?
    »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, spricht der Herr« , zitierte der Afrikaner. »So lesen wir beim Evangelisten Johannes.«
    »Johannes!« Aus Bracciolinis Mund klang der Name des Evangelisten wie eine obszöne Geste.
    »Also, wenn ich ein Christ wär...«, sagte Helmbrecht auf einmal in ganz gemütlichem Tonfall, und die Purpurträger starrten ihn an, als wäre ihnen eben klargeworden, dass die Hure von Babylon persönlich am Tisch Platz genommen hatte. »Also, wenn ich ein Christ wär«, wiederholte der Professor, »dann würde mir, das glaube ich, richtig gut gefallen, wenn Sie diesen Text veröffentlichen würden. Ihr Jesus wirkt da sehr menschlich, finde ich. Sehr viel menschlicher als in dem, was man sonst so kennt.«
    »Er war der Sohn Gottes!«, schnaubte Bracciolini.
    »Auch dem widerspricht Johannes nicht«, sagte De la Rosa in noch immer sanftem, aber nachdrücklichem Tonfall.
    » Und desgleichen haben auch die Männer verlassen den natürlichen Brauch des Weibes!« Bracciolinis faltiger Schädel besaß jetzt nahezu dieselbe Farbe wie der Purpur seines zucchetto . » Und sie haben sich füreinander erhitzt in ihren Lüsten und haben Mann mit Mann Schande getrieben und den Lohn ihres Irrtums, wie es denn sein sollte, an sich selbst empfangen . — Steht das auch da drin? Dem Kirchenvolk soll es gefallen, dass sich der Sohn Gottes mit der Sünde Sodoms befleckt hat?«
    Einige der Kardinäle nickten bedächtig. Aus den Mienen des Afrikaners und der Übrigen war nichts abzulesen.
    »Wenn Sie das tun...« Bracciolinis Atem ging pfeifend. Amadeo war sich sicher, dass sich in der päpstlichen Residenz ein Arzt in Rufweite befand. Vielleicht würden sie ihn noch brauchen. »Wenn Sie das tun, dann verhöhnen Sie das Denken aller Ihrer Vorgänger! Dann verhöhnen Sie die Heilige Schrift und die Grundlagen
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