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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung
Autoren: Stephan M. Rother
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kannte das Gesicht aus der Presse, doch die Männer am Tisch mit ihrem schütteren Haar und den müden Augen sahen einander alle sehr ähnlich.
    Allerdings gab es Ausnahmen.
    Angelo Kardinal Bracciolini war alt geworden. Sicher, er war schon in Maria Laach ein alter Mann gewesen, aber von der Präsenz, mit der er an jenem Tag das Kaminzimmer beherrscht hatte, war nicht viel geblieben. Der Kardinalstaatssekretär wirkte gebrechlich und musste sich auf den afrikanischen Kardinal neben ihm stützen. Der Afrikaner war der neue Präfekt der Kongregation für das Bildungswesen, erinnerte sich Amadeo. Er hatte ihn auf Rai uno gesehen — in St. Gallen, auf Rebeccas Fernseher, unmittelbar bevor der Bericht über den Mord in der officina gesendet worden war.
    Bracciolini hatte viel von seiner Spannkraft verloren, doch der Blick, der Amadeo und Rebecca durchbohrte, war noch derselbe. Natürlich war der Kardinalstaatssekretär nicht verhaftet worden, sondern man hatte den ganzen monströsen Vorfall unter den Teppich gekehrt — wie es seit Jahrhunderten Tradition war im Vatikan. De la Rosa konnte kein Interesse daran haben, dass die kriminelle Energie der aktuellen Amtsträger der Kirche ruchbar wurde. Die Verworfenheit ihrer Begründer war schon mehr als genug.
    »Eminenzen, bitte setzen Sie sich«, bat der Papst und ließ sich selbst auf einem Stuhl nieder, den Duarte ihm heranrückte. Er sah seine Begleiter an und wies auf die übrigen Sitzgelegenheiten. »Bitte.«
    Amadeo, Rebecca und der Professor nahmen ebenfalls Platz, und der pontifice neigte den Kopf, um ein kurzes Tischgebet zu sprechen. Dann sah er in die Runde. »Eminenzen, ich habe Sie heute hierhergebeten, weil Sie allen anderen voran an meiner Seite die Leitung der Kirche versehen. In der vergangenen Woche sind Ihnen allen«, ein weiterer Blick in die Runde, »Schriftsätze zugegangen, Transkriptionen eines antiken griechischen Textes, den wir für authentisch ansehen dürfen. Seine Entdeckung verdanken wir diesem jungen Mann hier, Signor Amadeo Fanelli aus den Marken. Ihm und seinen Begleitern.«
    Die Kardinäle nickten. Bracciolini schnaubte unterdrückt, hielt allerdings den Mund. Währenddessen machte sich Duarte an einer schweren Espressomaschine zu schaffen und schenkte reihum ein. Amadeos Mutter hätte getötet für die feinen weißen Tassen mit dem Zeichen der Schlüssel Petri.
    »Ich habe Sie gebeten, Eminenzen, weil ich absolutes Vertrauen« , diese beiden Worte betonte er besonders, »in Sie setze, was die Zukunft der Heiligen Mutter Kirche anbetrifft.«
    Duarte war eben dabei, De la Rosa einzugießen, doch anstatt die Tasse wieder vor dem Papst abzusetzen, schob er sie Bracciolini hin. Dann griff er nach der Tasse des Kardinalstaatssekretärs und schenkte in dieser dem pontifice ein.
    Das war deutlich, dachte Amadeo. Er selbst glaubte nicht, dass Bracciolini zu Mitteln wie Alexander VI. Borgia greifen würde, der berühmte Giftmischer unter den Päpsten. Der commandante war da wohl weniger überzeugt. Das Maß seines Vertrauens hatte er jedenfalls unterstrichen.
    »Ich habe Ihnen heute Reproduktionen der Papyri mitgebracht, aus denen die Texte stammen.« De la Rosa zog einen Stapel großformatiger Fotografien aus seiner Aktenmappe und sah sie kurz durch. Einige Blätter sonderte er aus und legte sie verdeckt vor sich auf den Tisch, die übrigen verteilte er unter den Anwesenden. »Weiterhin habe ich hier eine vorläufige paläographische Studie, mit der ich Professor Ingolf Helmbrecht betraut habe.« Er nickte Helmbrecht zu. »Er ist eine führende Kapazität auf diesem Gebiet. Diese Studie kommt zu dem Ergebnis, dass unsere Fragmente echt sind und aus dem ersten oder zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung stammen.«
    Papa Pio machte hin und wieder eine kurze Pause, aber diese Pausen waren zu kurz, um sich auf irgendwelche Einwände zu besinnen.
    »Das ist... sicher?« Jetzt sah einer der grauhaarigen Kardinäle hinter den Fotografien hervor, die er in der zitternden Hand hielt.
    »Ich bin bereit, diese Einschätzung gegen jeden Fachkollegen zu verteidigen«, sagte Helmbrecht ruhig. »Sowohl die Papyri als solche als auch ihr Erhaltungszustand sprechen dafür. Weiterhin die Tinte, die Verwendung gefunden hat, und nicht zuletzt die Form der Schriftzeichen selbst. Dieser Text wurde um das Jahr einhundert unserer Zeitrechnung im Osten des Römischen Reiches niedergeschrieben.« Er zögerte. »Jedenfalls von einem Schreiber aus dem Osten.«
    »Aber es
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