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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung
Autoren: Stephan M. Rother
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hat er manchmal eine merkwürdige Art, das zu zeigen, aber er hält große Stücke auf Sie. Alte Männer werden eben gelegentlich ein wenig merkwürdig. Nur gut, dass ich frei bin davon.«
    »Ich als Leiter der officina?« Amadeo bekam den Mund nicht wieder zu.
    »Warten Sie's ab.« Helmbrecht kratzte sich den Hals. »Noch lebt er ja, Ihr capo , aber ich halte es eher für unwahrscheinlich, dass ihm noch einmal Vaterfreuden zuteilwerden.«
    »Glückwunsch!«, grinste Rebecca.
    »Noch lebt er«, murmelte Amadeo, und ihm war auf einmal ziemlich mulmig. Die officina di Tomasi... Auch wenn es nur eine vage Aussicht war — bisher.
    »Wie geht es Ihnen überhaupt?«, fragte Helmbrecht die junge Frau. »Sie sehen fantastisch aus heute. Wenn ich ein paar Jahre jünger wäre, so vierzig oder fünfzig...« Er neigte den Kopf hin und her.
    »Sollte ich das nicht?« Rebecca hob die Augenbrauen.
    »Man wird doch wohl fragen dürfen, wie sich jemand fühlt, der vor wenigen Wochen wie viele... sieben? ... Stichwunden davongetragen hat.«
    Rebecca hob die Schultern und zuckte nur ganz leicht. »Ich hab's überlebt. Das Schlimmste war die Kraxelei.«
    Sie sagte es leichthin, doch Amadeo war klar, dass Rebecca ihre eigene Hölle hinter sich hatte: Während er selbst in seinem grausigen, engen Versteck an der Seite eines toten Papstes um seinen Verstand gekämpft hatte, hatte sich Rebecca ihren eigenen Dämonen stellen müssen. Er hatte die Videoaufnahmen gesehen, schließlich waren die Fernsehteams wesentlich schneller unter den Arkaden des Bernini gewesen als die römische polizia . Auf die Piazza San Pietro zu treten wäre Selbstmord gewesen, und so hatten sie ihre Kameras konstant auf die Fassade von San Pietro gerichtet, wo ein Duell getobt hatte, wie es der Vatikan seit den Tagen des Sacco di Roma nicht mehr gesehen hatte.
    Mit altertümlichen Degen hatten zwei Gestalten ihren Kampf ausgetragen — vor den Augen der Welt: eine rothaarige Schönheit die eine, bekleidet nur mit Jeans und BH, ein blutüberströmtes Monstrum die andere. Dreißig Meter über dem Petersplatz, auf der Benediktionsloggia, dem Balkon, von dem aus traditionsgemäß der Christenheit die Wahl eines neuen Papstes verkündet wurde. Auf diesen Ruhm hätte Rebecca sicher gern verzichtet.
    Er lächelte innerlich: Wenigstens war es ein anonymer Ruhm. Bis heute rätselte man, wer das »rote Teufelsweib« wohl gewesen sei. Es war eines der vielen Rätsel jenes Tages, zu denen auch die Frage gehörte, wohin die überlebenden Islamisten verschwunden waren, nachdem die römische polizia Herrin der Lage geworden war.
    Es gibt etliche dieser Gänge . Amadeo erinnerte sich an die Worte des commandante , als er sie von der Galleria Principe Amadeo Savoia-Aosta durch die römische Unterwelt geführt hatte. Wer von Bracciolinis Gefolgsleuten überlebt hatte, war verschwunden. Nicht anders Niketas und seine Männer — alle fort wie ein Spuk. Ein Spuk, der in diesem Fall allerdings noch immer die Fragmente aus den ersten beiden Codices besaß. Auch Helmbrecht hatte keine Angaben machen können, wo seine Gastgeber abgeblieben waren. Er hatte sie zuletzt in der Basilika gesehen, als sie gegen Bracciolinis Männer kämpften und er selbst sich auf die Suche nach Amadeo begeben hatte. Der Restaurator konnte sich einfach nicht vorstellen, dass dies das Ende sein sollte. Das konnte nicht die Wahrheit sein.
    Für den Moment jedenfalls war das weit fort — wie ein Alptraum, aus dem man unvermittelt erwacht. Es schien Amadeo noch immer unfassbar, dass sie jetzt gemütlich und unbehelligt durch das herbstliche Latium fuhren — auf dem Wege nach Castel Gandolfo.
    Sie verließen die autostrada und erreichten die Landstraße, die sich bald an den Hängen der Colli Albani emporschlängelte. Schon von weitem erblickten sie die Villen der päpstlichen Sommerresidenz. Amadeo zupfte an seiner Krawatte. Wenn er sich vorstellte, dass er in einer halben Stunde dem leibhaftigen Papst begegnen würde — wieder einmal.
    »Du wirst ihm schon gefallen«, grinste Rebecca. »Wobei dir die Soutane echt nicht übel stand.«
    »Das war genug Soutane für den Rest meines Lebens«, murmelte er. »Aber bequem war sie, und wenn man ein paar Kilo zunimmt, sieht das kein Mensch.«
    Sie warf ihm einen Seitenblick zu. »Wär allerdings schade um deinen Hintern.«
    Es ging um eine enge Kehre, dann tauchten sie zwischen Bäumen ein. Der Herbst hatte unverkennbar Einzug gehalten, und sie standen in buntem Laub,
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