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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung
Autoren: Stephan M. Rother
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Gewohnheit. Und wir saßen des Abends beim Mahle, als Jesus ihn fragte: »Hast du mich lieber, als mich diese haben?« Und ich sah, wie es auf den Zügen des Petrus zuckte ob dieser Worte, doch er sprach: »Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebhabe.« Da nickte Jesus und sagte: »Weide meine Lämmer!« Doch noch einmal fragte er: »Petrus, hast du mich lieb?« Und Petrus erwiderte: »Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebhabe.« Und Jesus nickte: »Hüte meine Schafe!« Und ein drittes Mal fragte er: »Hast du mich lieb?« Da sah ich, wie eine Träne aus dem Auge des Petrus rann, eine Träne der Reue und der Trauer um das, was er getan hatte und nicht mehr ungeschehen machen konnte. »Herr, du weißt alles! Du weißt doch, dass ich dich liebhabe!« Und dann war es, als ob eine Veränderung vorging in seinem Gesicht und als ob nun, zuletzt, auch Petrus verstanden hatte. Und er stand auf, und trat zu Jesus hin und sprach: »Rabbi! Du bist der Fels, auf dem ich meine Kirche bauen will!«
    Da aber lächelte Jesus, denn nun wusste er, dass erfüllt war, weswegen der Vater ihn gesandt hatte. Und ein drittes Mal sprach er: »Weide meine Schafe! Folge mir nach!«
    Und Petrus tat wie geheißen. Da aber sah er, dass nicht er allein, sondern auch ich Jesus folgte, und er fragte: »Herr, was ist mit diesem?«
    Da trat noch einmal die alte Liebe, die alte Vertrautheit auf die Züge Jesu, und voller Zärtlichkeit sah er mich an. Und er sprach zu Petrus: » Wenn er aber bleibt, bis ich zurückkehre: Was geht dich das an? Folge du mir nach.«
    Und wahrlich, wahrlich: Niemals mehr ist Petrus diesem Auftrag untreu geworden. Und ich will mit meinem Blute bezeugen, dass er die Schafe nicht verlassen hat, sondern zuletzt gleich Jesus den Tod am Kreuz erlitten hat, wie der Rabbi es vorhergesehen hatte, als er sprach: Folge mir nach!
    Mein Schicksal aber ist ein anderes gewesen und mein Auftrag ein anderer als jener des Petrus. Nicht von der Lehre zu künden, sondern von der Liebe. Und wenn die Lehre auch der ganzen Welt bestimmt ist und die Kirche des Petrus die Macht gewinnt über die Leiber und Seelen der Menschen, so ist es vielleicht an mir, seine Liebe den wenigen zu künden, die sie lesen mögen .
    Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind, hat Jesus einst gesprochen. Und sie werden meine Worte hören .
    Dies aber sind seine Worte. Und dies ist seine Wahrheit und die meine .
    Und ihr werdet die Wahrheit erkennen. Und die Wahrheit wird euch frei machen .
    Tief erschüttert ließ Amadeo den Bogen sinken. Das war das Ende.
    Die Welt erbebte, und einen Moment lang war er sich nicht sicher, ob das Beben Wirklichkeit war oder ob es nur die Erschütterung in seinem Innern war. Doch nein: Auf einmal hörte er wieder Schüsse. Laute Rufe.
    Jetzt, jetzt, machte sich jemand am marmornen Deckel des Sarges zu schaffen. Knirschend und schabend glitt der marmorne Koloss beiseite.
    Licht.
    Luft.
    Amadeo schloss die Augen.
    Und ihr werdet die Wahrheit erkennen. Und die Wahrheit wird euch frei machen .
    Er drückte die Fragmente an die Brust. Sie würden sie seinen toten Fingern entreißen müssen.
    »Sie kämpfen wieder, Monsignore!«, zischte die Stimme des jungen Mannes, dessen Vater er die Letzte Ölung erteilt hatte. »Wir ziehen uns tiefer in die Grotten zurück. Verhalten Sie sich still! Noch sind sie hier! Wir lassen den Sarkophag jetzt offen, aber bleiben Sie da drin, bis alles vorbei ist!«
    Amadeo nickte, doch der Mann war schon fort. Er lauschte auf die Geräusche der Schüsse, der Kämpfe, an- und abschwellend. Was ging dort vor? Drang die polizia in den Dom ein? Waren Niketas und seine Männer ebenfalls verwickelt? Würde Görlitz mit seiner Gefolgschaft noch einmal zurückkehren?
    Und Rebecca... Rebecca!
    Amadeo konnte nicht sagen, was um ihn her vorging. Immer wieder ertönten Schüsse, Schreie. Mal wichen sie zurück, kamen dann wieder näher. Er war gefangen, hilflos, lebendig begraben. Kein Fahrstuhl, kein Flugzeug, kein Tunnel der Welt barg einen solchen Alptraum.
    Amadeo konnte den genauen Zeitpunkt nicht bezeichnen — aber irgendwann hatte es keine Bedeutung mehr. Schließlich verstummten die Geräusche. Amadeo wartete ab, lag auf dem Rücken, an seiner Seite sein lebloser Grabgefährte. Er wusste nicht, wie viel Zeit verging. Vielleicht nur Minuten, vielleicht viele Stunden, doch endlich erhob er sich.
    Seltsam, er spürte keine Angst mehr und auch keine Eile, das grausige Gefängnis zu verlassen. Was er
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