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Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)
Autoren: Peter de Jonge
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O’Hara kein Wort glaubte, spielte er nur zu gerne den Trottel. So wie die Medien nach seinem abtrünnigen Detective gegeifert hatten, war das NYPD ebenso wie O’Hara daran interessiert, die Angelegenheit in Würde aus der Welt zu schaffen. Zwanzig Minuten später kam Callahan mit einem Vorschlag zurück. Wenn sich O’Hara einverstanden erklärte, vier Wochen in einer anerkannten Einrichtung zu verbringen, würden alle Vorwürfe zurückgenommen – keine Suspendierung, keine Gehaltskürzung, keine verlorenen Urlaubsansprüche. Am darauffolgenden Nachmittag saß O’Hara im Bus in die Pocono Mountains.
    »Ich habe Neuigkeiten«, sagt Krekorian und beißt noch einmal in seine Pizza.
    »Gute oder schlechte?«, fragt O’Hara.
    »Weder noch. Nur neu. Delfinger wurde heute Nachmittag auf Rikers Island ermordet.«
    »Haben ihn diese Vollidioten nicht in Schutzhaft genommen?«
    »Doch, aber anscheinend war das nicht genug. Ein Insasse hat ihm die Kehle aufgeschlitzt, als er vom Hofgang zurückkam. In neunzig Minuten ist er verblutet.«
    »War das ein Freund von Tida?«
    »Sieht nicht so aus. Irgendein Typ, der schon zum dritten Mal einsaß und dem sowieso lebenslänglich blühte. Meinte, er hätte es für die Mädchen getan. Wahrscheinlich wollte er sich nur als Held fühlen. Wie Loomis sagt, Rikers ist ein Ofen mit Selbstreinigungsfunktion. Ach, übrigens schöne Grüße von Loomis.«
    Als O’Hara wieder in ihre Hütte kommt, geht schon das Licht aus. Sie klettert auf ihr Stockbett und starrt in die Dunkelheit über ihr. Eigentlich sollte sie wegen der Hinrichtung eines Pädophilen im Gefängnis keinen Schlaf verlieren. Schon gar nicht nach dem Video, das sie sich seinetwegen ansehen musste. Aber sie tut es trotzdem. Sie denkt an Delfinger und Entonces auf dem Rücksitz an jenem Morgen. Denkt an die unbändige Wut, mit der ihn Entonces angegriffen hatte, nachdem ihn O’Hara als den »DB« aus Consuelas Tagebuch vorgestellt hatte. Es erinnerte sie daran, wie sie einmal mit Axl einen Blauhäher beobachtet hatte, der eine Katze beharkte, die sich zu nah an sein Nest gewagt hatte. Der riesige Vogel schoss im Sturzflug vom Baum herunter und griff mit allem an, was ihm zur Verfügung stand: mit dem Schnabel, den Krallen und seinen flatternden Flügeln.
    Als sie an diesem Tag Axl ansah, konnte sie gut verstehen, wie sich der Vogel gefühlt hatte. In dieser Nacht aber geht O’Hara Delfingers Blick nicht mehr aus dem Kopf. Sein Blick, als Tida losschlug, und die glucksenden Geräusche, wie von einem Ertrinkenden, die statt Worten aus seinem Mund kamen.

48
     
    Drei Wochen später, eine Stunde vor Morgengrauen, umarmt Farmleiter Rick Helmsford, der ehemalige Cop und trockene Alkoholiker, O’Hara zum letzten Mal und bringt sie zum Bus nach New York. Noch bevor der Bus die Autobahn erreicht, nickt O’Hara ein. Sie hat seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen. Sie öffnet die Augen erst wieder, als sich der Bus durch den Lincolntunnel schlängelt.
    Dank Walt und Rudy kommt sie an einem ausgesprochen aufgeräumten Times Square an. O’Hara geht an einer Nutte in Hotpants vorbei, die auf einer Bank liegt und schläft, und verschwindet in einer Bar. Während ein Mann vom Reinigungsdienst den Boden wischt und ein Nachrichtensprecher die Höhepunkte der vergangenen Nacht im Fernseher an der Wand noch einmal aufwärmt, spült sie den faden Nachgeschmack der vielen Anonymen-Alkoholiker-Sitzungen mit zwei eiskalten Bieren herunter.
    So gestärkt nimmt sie einen Zug der Linie 1 nach Riverdale. Ohne vorher ihre Wohnung zu betreten, holt sie ihren Wagen und fährt damit auf den West Side Highway. Dankbar, den Hudson wieder zur ihrer Rechten zu haben, überquert sie die gesamte Insel, umkreist den Seaport und fährt über die Manhattan Bridge nach Brooklyn hinein.
    In einer ruhigen Straße in der Nähe des Fort Greene Park findet O’Hara das Haus von Donna und Albert Johnson, den Pflegeeltern, bei denen Consuela und Moreal lebten, bevor man sie per staatlicher Verfügung ihrer Mutter zurückgab. Lafayette Street 11 – O’Hara hat die Adresse von Nia Anderson von Big Sisters – ist ein freundliches, leicht baufälliges Reihenhaus. Donna Johnson, die in einem braunen Pullover und in schwarzer Hose die Tür öffnet, ist eine freundliche schwarze Frau Anfang sechzig. Sie setzt O’Hara in ein großes Wohnzimmer, in dem so viele Sofas und Sessel stehen, dass dreißig Leute darin Platz finden würden. Als sie wieder aus der Küche kommt, hat
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