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Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)
Autoren: Peter de Jonge
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inmitten der Wasserlandschaften, die die einzelnen New Yorker Bezirke voneinander trennen. Auf der anderen Seite der Brücke fährt O’Hara über eine auf beängstigend ruhige, von Gefängnisbauten aus Backstein gesäumte Straße. Viele der alten Gebäude wurden um neue billige Anbauten ergänzt. Mit einem eigenen Kraftwerk, eigener Bäckerei, Kirchen und Krankenhäusern ist Rikers Island eine Welt für sich und wie Delfingers gewaltsamer Tod beweist, unterliegt die Einrichtung ebenso der Kontrolle der Insassen wie die der Wärter.
    Auf der Insel befinden sich zehn Gefängnisse. O’Hara parkt in der Nähe des Rose M. Singer Center, dem einzigen Frauengefängnis. Als sie vom Parkplatz auf das Gebäude zugeht, hört sie einen Säugling in der Kinderkrippe schreien. Ebenso wie Moreal, Consuela und Marwan bekam das Baby von Anfang an vom Schicksal schlechte Karten in die Hand gespielt. Entonces hatte gerade ein Treffen mit ihrem Pflichtverteidiger und sitzt noch in einem der besenkammergroßen Räume neben dem Besucherzimmer. Die Wärterinnen haben sie hier einfach sitzen gelassen, anstatt sie zwischendurch wieder in ihre Zelle zu führen. Als O’Hara eintritt, sitzt Entonces in einem dunkelgrünen Kittel an einem kleinen Metalltischchen.
    »Sie sehen anders aus«, sagt Entonces.
    »Ich war weg.«
    »Ich auch.«
    »Schlimme Sache, das mit ›Danny Boy‹«, sagt O’Hara.
    »Eine Schande ist das.«
    »Hatten Sie eine Belohnung ausgesetzt?«
    »Ich musste keinen Finger rühren. An Orten wie diesem gibt es genug Freiwillige. Soweit ich weiß, haben sich die Jungs darum gestritten, wer ihn kaltmachen darf.«
    »Trotzdem«, sagt O’Hara. »Das ging ganz schön schnell, nach nur zwei Tagen.«
    Entonces zuckt mit den Schultern. »Erwarten Sie Mitleid von mir? Soll ich seiner Familie Blumen schicken?«
    »Erinnern Sie sich noch an Donna Johnson, die Pflegemutter von Moreal und Consuela in Brooklyn?«, fragt O’Hara. »Ich habe sie heute Morgen besucht. Eine sehr nette Frau. Backt einen Wahnsinnspflaumenkuchen.«
    »Schön für sie.«
    »Sie hat mir erzählt, Sie hätten Ihre Töchter damals nur zurückbekommen, weil sich Pena beim Jugendamt für Sie starkgemacht hat.«
    »Das stimmt. Bis Francesca auftauchte, war ich bloß eine Junkiemutter wie alle anderen auch. Wer hätte schon auf mich gehört?«
    »Pena habe sich nicht mit Telefonanrufen begnügt, meinte Johnson. Sie erzählte mir, Pena habe Briefe geschrieben, viele Briefe. Außerdem habe sie Ihre zuständige Sachbearbeiterin besucht und sich mit Ihrer Bewährungshelferin getroffen. Ich habe mich gefragt, wieso sie sich die ganze Mühe gemacht hat.«
    »Das wissen wir doch«, sagt Entonces, wobei sie den Blick von O’Hara abwendet und die farblose, nach Schweiß und Desinfektionsmittel riechende Betonwand anstarrt. »Damit sie aus meinen wunderbaren Töchtern Huren machen konnte. Um meine Babys an Leute wie Delfinger zu verkaufen.«
    »Und weil sie wusste, dass Sie mitspielen würden.«
    »Was soll das? Die verlogene Schlampe hat mich benutzt wie alle anderen.«
    »Wieso hätte sie sich die Mühe machen sollen, die Mädchen aus einer Familie zu reißen, in der sie endlich sicher waren und Fortschritte machten, wenn sie nicht gewusst hätte, dass sie auf ihre Kosten kommen würde. Das war es, was mir Delfinger im Wagen sagen wollte, bevor Sie ihn angegriffen haben, nicht wahr? In der Nacht, in der Sie Pena töteten, haben Sie die beiden wahrscheinlich sogar höchstpersönlich bei ihm abgeholt.«
    »Sie sind ja verrückt. Er hat sie in ein Taxi gesetzt, wie ich es Ihnen gesagt habe.«
    »Vielleicht. Aber wie viel von Delfingers Geld ist an Sie geflossen, Tida? Ein Viertel? Ein Drittel. Egal, wie viel es war, es war nicht genug. Vielleicht am Anfang. Sie konnten sich einen Fernseher kaufen und ein paar Klamotten. Aber lange hat es nicht gereicht. Und wieso sollten Sie weniger verdienen als Pena? Wieso sollte Pena überhaupt etwas abgekommen? Moreal und Consuela waren Ihre Töchter. Ihr Fleisch und Blut. Sie trugen die Mädchen neun Monate lang unter Ihrem Herzen. Sie brachten sie zur Welt und hätten dabei draufgehen können. Und dann kommt in letzter Sekunde so ein Yuppiemädchen aus Puerto Rico und kassiert die ganze Kohle? Wieder wurden Sie beschissen, wie schon Ihr ganzes Leben.«
    »Dann haben Sie’s ja kapiert«, sagt Entonces, wendet sich von der Wand ab und starrt O’Hara das erste Mal seit deren Eintreffen direkt ins Gesicht.
    »Ich bin die Mutter. Eine
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