Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)
Autoren: Peter de Jonge
Vom Netzwerk:
Mutter hat besondere Rechte.«

50
     
    An einem heißen Vormittag Ende August lehnt O’Hara an ihrem gemieteten Mitsubishi und beobachet die schlaksigen Mädchen auf der asphaltierten Aschenbahn hinter dem Arthur Alvarez Center für Jugendliche. Der Asphalt ist gerissen und wellig. Ein extrahoher Stacheldrahtzaun trennt die Einrichtung von dem benachbarten baumlosen Industriegebiet und dessen veralteten Fabriken und Lagerhäusern. Das Gefängnis ist ebenso trostlos, wie Pena es beschrieben hatte.
    Nachdem die Staatsanwaltschaft im Juni erfahren hatte, dass die Mutter eine aktive Rolle bei der Prostitution ihrer Töchter spielte, bekannte sich Entonces schuldig, um strafmindernde Umstände gewährt zu bekommen. Dadurch wird sie in den kommenden 99 Jahren garantiert keine Einladung von Oprah bekommen. O’Hara widmet sich wieder ihrem Arbeitsalltag, dem üblichen Blödsinn im 7. Bezirk, aufgepeppt nur durch die verlässliche Inbrunst und Zuneigung von Lebowitz. Die Beziehung zu ihm ist jetzt schon, nach so kurzer Zeit, die längste, die sie hatte, seitdem ihr der kiffende Feuerwehrmann das Herz brach. Trotzdem es O’Hara in ihrem eigenen Leben so gutgeht wie noch nie und sie zufrieden zur Kenntnis nahm, dass Entonces lebenslänglich in den Knast wanderte, verfolgt sie der Fall immer noch. Und zwar so sehr, dass sie sich drei Urlaubstage ausbezahlen ließ, um auf eigene Kosten nach Chicago zu fliegen und herauszufinden, wie aus einem aufgeweckten Teenager eine Psychopathin wurde.
    Delfinger und sogar Entonces kann O’Hara bis zu einem gewissen Grad verstehen. Verkommenen Schweinen wie den beiden ist sie leider schon viel zu oft begegnet. Aber Pena ist ihr bis heute ein ebenso großes Rätsel wie an dem Nachmittag, an dem David McLain in das Büro der Detectives spazierte und sie als vermisst meldete. Anstatt sich also am Jones Beach mit Lebowitz und Bruno ein Handtuch zu teilen, beobachtet O’Hara jugendliche Straftäterinnen beim Joggen auf einer glühend heißen Asphaltbahn.
    Chicagoer Sommer gelten als großartig, aber der frische Wind reicht nicht vom See bis hierher. Um 6.45 Uhr sind es bereits knapp 27 Grad und die Hitze fordert ihren Tribut, besonders von den schwereren Mädchen, von denen eine von der Bahn heruntertorkelt und in den Staub kotzt.
    »Bist du bald fertig, Fettsack?«, fragt ein stämmiger Mann mit Bürstenhaarschnitt und rosafarbenem Gesicht. »Los, mach weiter. Wir sind hier nicht im Ferienlager. Hier interessiert’s keinen, wie’s dir geht.« Als sich O’Hara von ihrem Wagen löst und sich dem Mann jenseits des Maschendrahtzauns nähert, lenkt er seine geballte Verachtung von dem Mädchen auf sie um.
    »Haben Sie das Schild nicht gesehen?«, fragt er. »Oder können Sie nicht lesen?«
    »Ich lese für mein Leben gern«, sagt O’Hara. »Wollen Sie mir ein Buch empfehlen?«
    Sie zeigt ihm ihr Dienstabzeichen und hält ihm dann zwei Bilder von Pena unter die Nase: Eines aus ihrem ersten Semester an der Westfield Highschool, das andere aus der Zeit an der NYU. »Erkennen Sie das Mädchen? Ihr Name war Francesca Pena.«
    Der Mann wirft einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass keines der Mädchen seine Unaufmerksamkeit ausnutzt. »Ja«, sagt er. »Das ist das Mädchen, das ermordet wurde.«
    »Wie lange arbeiten Sie schon hier?«, fragt O’Hara.
    »Zu lange, merkt man das nicht?«
    »Dann müssen Sie sie doch gekannt haben. Sie war im Sommer 2001 hier.«
    »Nein, war sie nicht.«
    »Aber Sie haben sie doch erkannt.«
    »Ich habe mich an die Zeitungsartikel erinnert«, sagt der Mann und blickt erneut über seine Schulter. »Als die Artikel erschienen sind, konnte ich weder mit dem Namen noch mit dem Gesicht etwas anfangen. Aber hier kommen viele Mädchen durch und wenige Jahre später, gerade in dem Alter, sehen sie oft ganz anders aus. Also bin ich die Akten durchgegangen. Dabei stellte sich heraus, dass ich doch nicht so falsch lag. Sie war nie hier gewesen.«
    »Aber sie hat diese Einrichtung haargenau beschrieben.«
    »Dazu kann ich nichts sagen«, erwidert der Mann und geht wieder auf die Bahn zu. »Aber sie war nie hier. Wenn Sie mir nicht glauben, rufen Sie beim Jugendamt an.«
    O’Hara fährt zurück zu ihrem Hotel und liest USA Today , bis die Behörden um neun Uhr öffnen. Dann ruft sie beim Jugendgericht an und lässt sich weiter verbinden. Der zuständige Beamte bestätigt, dass Pena in seinem System nicht auftaucht. Anschließend versucht sie es bei der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher