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Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)
Autoren: Peter de Jonge
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vorziehe. Aber wie die meisten Gäste hier ist Megan in der Kunst des Verdrängens äußerst geübt. »Siehst du, wie die Flammen über das Holz züngeln?«, sagt sie zu O’Hara. »So will ich dich lecken.«
    Egal, denkt O’Hara und ignoriert ihre maskuline Verehrerin. Sie klettert in ihre Koje und greift nach ihrer Post. Sie zieht eine Karte von Kenny Aarons heraus, dem Sergeant an der Anmeldung. Darauf ist eine Zeichnung von einem Streifenwagen und darunter steht in großen unregelmäßigen Buchstaben: »An Dar auf der Farm«. Zeichnung und Wortwahl ensprechen dem Niveau eines mäßig begabten Fünfjährigen. Aber die Vorstellung, dass sich ihr Kumpel Aarons ihr zuliebe mit Buntstiften über ein Blatt Papier hergemacht hat, zaubert ihr ein Lächeln ins Gesicht. Sofern sie je wieder nach Riverdale und zu Bruno zurückkehren sollte, würde sie die Karte rahmen und in ihrer Wohnung aufhängen. O’Hara überlegt gerade, wo genau, als ein Betreuer namens Dougherty den bärtigen Kopf zur Tür hereinsteckt.
    »O’Hara«, sagt er, »Telefon für dich.«
    O’Hara mummelt sich wieder ein und tritt in die strahlend helle Kälte nach draußen.
    »The moonlight, the serious moonlight«, zitiert O’Hara Bowie und stapft an den Nachbarhütten vorbei, aus deren Schornsteinen grauer Rauch aufsteigt. Oben auf dem Hügel steht das größte Gebäude der Anlage, ein Haus namens Hanover Woods, das den Polizisten, die hierhergeschickt werden, aber als ›The Farm‹ bekannt ist. O’Hara passt auf, möglichst nicht gegen Tische oder Stühle zu stoßen. Sie durchquert die dunkle Cafeteria und geht in den Raum dahinter mit dem langen Tisch, an dem die Gruppentherapiesitzungen stattfinden. In einem kleineren Nebenraum befindet sich ein Getränkeautomat, ein Tischkicker und das Münztelefon. O’Hara nimmt den baumelnden Hörer in die Hand und hört Krekorian am anderen Ende der Leitung.
    »Was treibst du so, K.?«
    »Nicht viel. Ich sitze hier mit Loomis im Wagen, wir hauen uns gerade’ne Pizza von Stromboli’s rein.«
    »Was ist drauf?«
    »Willst du das wirklich wissen?«
    »Eigentlich nicht. Aber sag’s trotzdem.«
    »Paprika, Fleischbällchen und Zwiebeln. Ein köstlicher Hauch Oregano.«
    »Du hattest Recht. Ich will’s nicht wissen.«
    Trotz der Verhaftung von Entonces und Delfinger und einer Woche, in der die Boulevardpresse täglich voller Anerkennung über sie berichtete, sah sich O’Hara mit schweren Disziplinarmaßnahmen seitens des NYPD konfrontiert. Denn sie hatte gegen ihre Suspendierungsauflagen verstoßen, sich in laufende Ermittlungen eingemischt und unerlaubt von einem Tatort entfernt. Die Idee, sich die Vorwürfe vom Hals zu schaffen, indem sie sich freiwillig in den offenen Entzug begab, kam von Maître Dee Dee, als O’Hara mit Krekorian und Lebowitz die Nacht im Empire Diner durchfeierte. »Jetzt, wo du berühmt bist, Baby, solltest du dich auch so aufführen«, sagte Dee Dee. »Abgesehen davon würde es dir, aus der Ferne betrachtet, durchaus mal ganz guttun, es ein paar Wochen langsam angehen zu lassen.«
    Nachdem er seine Ansage gemacht hatte, widmete Dee Dee seine ungeteilte Aufmerksamkeit dem Mixen von O’Haras fünftem Martini, während sie sich ihrerseits darauf konzentrierte, Lebowitz unter dem Tresen zu befummeln. Lebowitz, der erst zum zweiten Mal in seinem Leben sternhagelvoll war und wie ein Vollidiot grinste, gab sich die größte Mühe, nicht vom Hocker zu fallen.
    »Dee Dee, was macht diese jüdischen Jungs bloß so sexy?«, fragte O’Hara und fuhr mit der Nase über Lebowitz’ hervorstehenden Adamsapfel.
    »Du meinst, abgesehen von ihren Dödeln?«
    »Ja, Dee Dee, davon mal abgesehen.«
    »Gar nichts.«
    »Das hab ich gehört«, sagte Lebowitz und hielt sich mit beiden Händen am Tresen fest, als führe er Achterbahn auf Coney Island.
    Am nächsten Morgen spazierte O’Hara sehr überzeugend nach Gin und Wermuth stinkend aufs Revier und setzte sich ihrem Lieblingssergeant Mike Callahan gegenüber. »Mein unbesonnenes Verhalten und die Befehlsverweigerung waren nur Symptome«, erklärte sie ihm, ohne eine Miene zu verziehen, wobei ihr heftiger Kater ein weiteres Mal dazu beitrug, die schamlose Verarsche angemessen bedrückt rüberzubringen. »Das Problem, das allem zugrunde liegt und das je schneller desto besser in Angriff genommen werden muss, ist der Teufel Alkohol.«
    »Der schwerste Schritt ist das Eingeständnis, dass man ein Problem damit hat«, hatte Callahan gesagt und obwohl er
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