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Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)
Autoren: Peter de Jonge
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Penas Freundinnen haben sich bereits ein erstklassiges Fleckchen am Ende der Bar gesichert. Wie Pena sind auch Uma Chestnut, Mehta Singh und Erin Case Studentinnen der NYU. Wenn man sie dort so stehen sieht, wirken sie so fotogen und bunt gemischt, dass sie – würde man ihre dreitausend Dollar teuren Designertaschen und den wertvollen Schmuck wegretuschieren – ohne weiteres im Collegekatalog für ein friedliches Miteinander der verschiedenen Hautfarben werben könnten. In gewisser Weise tun sie das auch.
    Penas Ankunft löst bei den Mädchen schrilles Freudengeheul aus und als sich dieses wieder legt, sorgt Chestnut – die nicht ganz zu Unrecht glaubt, alles unterhalb der 14th Street befände sich in ihrem Privatbesitz – für weiteres begeistertes Gejohle, indem sie laut »Cocktails!« ruft. Singh, die größer, kurviger und dunkler als Pena ist, aber über ein ebenso elektrisierendes Lächeln verfügt, verlangt einen Sidecar und die porzellanhäutige Case, deren rosafarbener Zopfmusterpullover eher irritiert, bittet um einen Beefeater Martini – und zwar dirty. »Allerdings dirty«, sagt Chestnut und schnickt sich eine kunstvoll pomadisierte Ponysträhne aus der Stirn. »Und, Francesca, was ist mit dir?«
    »Ein Malibu Seven«, sagt Pena. »Einmal Latina, immer Latina. Da kann man nichts machen.«
    »Warum sollte man auch«, erwidert Singh.
    Die Mädchen zeigen ihre gefälschten Ausweise vor und Chestnut gibt die Bestellungen auf, einschließlich des Lower Manhattan, der so etwas wie ihr Markenzeichen ist. Als alle Cocktails gemixt und serviert sind, hebt Case vorsichtig ihr randvolles Glas Gin mit Wermuth. »Auf Thanksgiving«, sagt sie. »Ein willkommener Anlass, sich fünf Tage lang zu besaufen.«
    »Und auf all deine Verwandten, die auf der Mayflower seekrank wurden«, setzt Pena hinzu, was für so viel Gelächter sorgt, dass die Cocktails ausbalanciert werden müssen, bevor sie wieder schlürfbar sind.
    Die Zeit vergeht wie im Fluge, besonders wenn man jung und schön ist und sich hemmungslos betrinkt. Vier Stunden lang bringen sich die vier Freundinnen ununterbrochen gegenseitig zum Lachen. Und obwohl hier und da ein tapferer Junge versucht, die sie umgebenden unsichtbaren Grenzen zu durchbrechen, flirten sie doch in erster Linie miteinander. Obwohl Chestnuts Vater gerade erst eine Werkschau im MOMA hatte, Singhs Vater einer der größten Immobilienhändler in Neu-Delhi ist und Case wie eine Gewächshausblume in einer 18-Zimmer-Wohnung in der Park Avenue groß wurde, ist Pena, das Mädchen mit dem Stipendium aus West-Massachusetts, der unangefochtene Star der Gruppe, um dessen Anerkennung und prustendes Gelächter die anderen buhlen.
    Chestnut, Singh und Case haben sich auf ausgiebige Thanksgiving-Mahlzeiten am morgigen Tag vorzubereiten. Um 2.30 Uhr sind sie eigentlich soweit, Feierabend zu machen. Aber nicht die Langstreckenläuferin Pena, die, statt eine Erklärung zu liefern, diskret in Richtung eines älteren Herren am anderen Ende der Bar nickt.
    »Du machst Witze«, sagt Singh. »Der sieht hardcore aus.«
    »Das tut er wirklich, oder?«
    »Du kommst mit, und wenn wir dich raustragen müssen«, sagt Case.
    Aber Pena verschränkt die Arme und schüttelt den Kopf wie ein starrköpfiges Kleinkind. Nach einer weiteren aufgeregten Umarmungs- und Küsschenrunde bleibt Chestnut, Singh und Case nichts anderes übrig, als Pena zurückzulassen. Kaum sind die anderen zur Tür hinaus, richtet sie sich kerzengerade auf. In dem kleinen Toilettenraum neben der Küche spritzt sie sich kaltes Wasser ins Gesicht, und als sie an die Bar zurückkehrt, hat sich der sogenannte Hardcoretyp strategisch auf dem Barhocker neben ihr platziert.
    »Ich beobachte dich schon den ganzen Abend«, sagt er. »Darf ich mich jetzt endlich mit dir unterhalten?«
    »Heute Abend nicht.«
    »Hat das einen Grund?«, fragt der abgewiesene Verehrer, allerdings so leise und derart zurückhaltend, dass Pena, die sich bereits dem Barkeeper zugewandt und einen Jack Daniels mit Cola bestellt hat, sich anschließend problemlos an ein Tischchen in der hinteren Ecke verziehen und so tun kann, als hätte sie nichts gehört. Während die letzten Gäste allmählich verschwinden, sitzt sie dort mit dem Rücken zur Bar und nuckelt eine knappe Stunde lang an ihrem Drink. Als eine Aushilfe endlich Flaschen und Gläser von den unbesetzten Tischen räumt, steht sie von ihrem Platz auf, steuert durch ein kurzes schmales Gässchen auf die Rivington Street,
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