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Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)
Autoren: Peter de Jonge
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liegen drei Scheiben dunkles Roggenbrot, zwei dicke Bratwürste und ein Berg Kartoffelsalat mit einem Klecks scharfen Senfs. Erst als sie mit dem letzten Brotkrümel den Teller saubergewischt hat, denkt sie darüber nach, inwiefern das, was sie gerade erfahren hat, Tomlinson in den Selbstmord getrieben haben könnte.
    Sie erinnert sich, wie Tomlinson zögerte, ihr Penas Bewerbung auszuhändigen, und wie bedacht sie darauf war, sie ganz schnell wieder zu bekommen. Hat auch sie entdeckt, dass Pena eine Hochstaplerin war? Wenn ja, kann O’Hara ihre Besorgnis verstehen. Was wäre gewesen, wenn jedermann mitbekommen hätte, dass Tomlinson mit ihren aus Dung modellierten äthiopischen Skulpturen und den Drucken von Ramore Bearden ein verwöhntes Gör aus Putnam County nicht von einer Getto-Chica unterscheiden konnte? Einer Person, die zumindest teilweise dadurch Karriere machte, dass sie immer wieder ihre Hautfarbe ins Spiel brachte und zu deren inoffizieller Berufsbeschreibung gehörte, möglichst authentisch zu sein, konnte das ernsthaft Probleme bereiten. Doch die Möglichkeit, dass sich Tomlinson bis zum Schluss hatte täuschen lassen, gefällt O’Hara eigentlich noch besser. Das würde bedeuten, dass Tomlinson, anders als sie selbst glaubte, wirklich und wahrhaftig farbenblind war.
    O’Hara bestellt kein drittes Bier. Stattdessen gibt sie auf ihre Zwölf-Dollar-Rechnung zwanzig Dollar Trinkgeld und fährt zum Flughafen zurück, wo sie die Reisenden beobachtet, die zwischen zwei Städten festsitzen und wie Zombies durch gedämpfte Zwischenwelten huschen. Da der nächste Flug nach New York erst in zwei Stunden geht, kauft sich O’Hara eine Zeitung und macht es sich bei Starbucks bequem. Ihre Gedanken wandern immer wieder zu Pena und sie stellt bestürzt fest, dass sie trotz vieler neuer Einsichten ihrem Ziel kein Stück näher gekommen ist. Sie versteht immer noch nicht, weshalb Pena so wurde, wie sie war.
    Sie erinnert sich an die erbärmliche Gestalt von Dominic Coppalano vor dem Büro des Gerichtsmediziners und auch bei der Trauerfeier. Was für ein Vater, fragt sie sich, würde sich freiwillig aus der Familiengeschichte entfernen lassen, um die Chancen seiner Tochter auf einen Platz am College zu verbessern? Wahrscheinlich einer, der verzweifelt Geschehenes ungeschehen machen will und sich deshalb mit allem einverstanden erklärt.
    Nachdem O’Hara eine Strecke zurückgelegt hat, die in etwa zehn Straßenzügen in der Stadt entspricht, steht sie endlich vor einer Anzeigentafel mit den Abflugszeiten. In vierzig Minuten startet ein Flug nach Boston. Damit wäre sie heute Abend in Westfield. Vielleicht könnte sie durch einen letzten Abstecher herausfinden, was der alte Mann seiner Tochter angetan hat. Hatte er sie missbraucht? Hat er sie seinen Freunden verkauft, so wie Pena Consuela und Moreal verkauft hat? Das Gate ist nicht weit und die Schlange am Sicherheitscheck bewegt sich schnell genug, so dass O’Hara durchaus eine Chance hätte. Doch Kenny Aarons untergräbt ihren Entschluss und lässt Zweifel aufkommen.
    »Was zum Teufel machst du da, Dar?«, fragt er. »Ich dachte, wir wären uns einig gewesen, dass das uralte Geschichten sind. Wen interessiert’s, was Dominic Francesca angetan hat. Selbst wenn du’s herausfindest, willst du dann wissen, was sein alter Herr ihm angetan hat? Du bist Polizistin, denk dran, keine beschissene Sozialarbeiterin. Wenn du anfängst die ganze Scheiße aufzurollen, kommst du irgendwann bei Adam und Eva an, die mit Affen in den Bäumen schaukeln.«
    Aarons’ überzeugender Monolog wird von einer Frauenstimme hinter dem Tresen unterbrochen. »Ja, bitte?«, sagt eine Angestellte. »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Ja«, sagt O’Hara nach einer Pause. »Ja, das können Sie«, und legt Flugticket und Führerschein vor.
    O’Hara bucht ihren Flug noch einmal um, allerdings nicht nach Boston. Vier Stunden später tritt sie aus dem Terminalgebäude in die sanfte Dämmerung. Sie war noch nie in dieser Stadt, aber irgendetwas liegt in der Luft. Die Atmosphäre ist gleichzeitig geladen und entspannt und das gefällt ihr auf Anhieb. Sogar die schicken zehn Jahre alten Taxis, die in einer Schlange am Straßenrand warten, gefallen ihr.
    Sie steigt in eines davon ein und auf dem Weg in die Innenstadt läuft Werbung für eine Veranstaltung im Rock’n’Roll-Museum. Sie stellt sich ein riesiges Granitgebäude vor, wie das Metropolitan Museum, nur dass hier statt ägyptischer Skulpturen und den
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