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Die Jagd nach Millionen

Titel: Die Jagd nach Millionen
Autoren: David C. Murray
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Erstes Kapitel
    Der Polizeiinspektor Prickett war weder ein Wundermann, der
kraft seines Geistes das Unmögliche möglich macht,
noch ein ausgemachter Schafskopf, wie man die Vertreter seines Berufs
in der Posse mit Vorliebe darstellt. Er war ganz einfach ein gescheiter
Mensch, der sein Handwerk manch ein Jahr ausgeübt und
wohlverdienten Erfolg darin geerntet hatte, aber sobald es ruchbar
wurde, daß Prickett einen Fall in Arbeit nehme,
fühlte sich der gewerbsmäßige
Uebelthäter etwas beunruhigt und sah mit wehmütiger
Gewißheit einer ungemütlichen Zukunft entgegen, denn
Prickett hatte während seiner Laufbahn in der weitaus
größeren Mehrzahl der von ihm behandelten
Fälle das Wild zur Strecke gebracht.
    Ohne persönlichen Mut kann niemand den
berufsmäßigen Kampf mit dem Verbrechertum aufnehmen
und führen, und Prickett hatte Nerven von Stahl. Wer es in der
Kriminalpolizei zu Erfolgen bringen will, muß im Besitz
scharfer Augen und angeborener Beobachtungsgabe sein, und Prickett war
die verkörperte Wachsamkeit. Im vorigen Jahre hatte er sich in
den Ruhestand zurückgezogen, bis dahin aber war er in London
eine sehr bekannte Persönlichkeit gewesen, Tausenden vom Sehen
bekannt, die nie gefragt hatten, wie der Mann wohl sein
persönliches Leben führe. Er hatte von jeher
großen Wert auf seine äußere Erscheinung
gelegt, besonders Hut und Stiefel, Wäsche und Handschuhe waren
stets tadellos, der ganze Mann peinlich sauber, wie aus dem Ei gepellt,
aber obwohl er in London geboren, in London aufgewachsen, Londoner bis
ins Mark war, hatte er im Aeußern einen Anflug vom
Kleinstädter. Dazu trug die frische, blühende
Gesichtsfarbe bei und eine gewisse Stetigkeit, um nicht zu sagen,
Starrheit im Blick, dabei machte er nie den Eindruck, daß er
in Eile wäre, und allem, was um ihn her vorging, jedem
Menschen, der an ihm vorüber eilte, schenkte er eine gelassene
Beachtung. Großstädter sind meist hastig in ihren
Bewegungen und gänzlich von sich selbst in Anspruch genommen,
an Menschen und Straßen viel zu sehr gewöhnt, um sie
aufmerksam in Augenschein zu nehmen. Pricketts ruhige, aber
unausgesetzte Aufmerksamkeit für die alltäglichsten
Vorgänge und Erscheinungen veranlaßten manche, in ihm
den Provinzler zu vermuten, der sich die Hauptstadt besieht.
    Es war auch sehr wohl möglich, hundertmal an dem Mann
vorüber zu gehen, ohne ihn zu bemerken oder Auffallendes an
ihm zu entdecken. Wußte man aber einmal, wer und was er war,
dann fiel einem mancherlei auf. Sein ruhiger Blick ruhte
bedächtig auf allem, was in seinen Sehwinkel fiel, und man
konnte deutlich sehen, daß er von Natur und durch Uebung ein
merkwürdig genauer Beobachter war.
    Das Bemerkenswerteste an dem Mann aber war für jeden,
der ihn kannte und sich die Mühe gab, etwas schärfer
zuzusehen, der Ausdruck fortwährender Bereitschaft, eines
geistigen Gestiefelt- und Gesporntseins sozusagen, wodurch jede
Ueberrumpelung ausgeschlossen erschien.
    Das Behagen des Ruhestandes hatte sich zwar von fern sehr
angenehm und verlockend ausgenommen, aber Prickett fand es nach einiger
Zeit doch etwas schal und eintönig. Nach Verlauf von zwei
Monaten fing er sogar an, das Leben als drückende Last zu
empfinden, und es erschütterte ihn förmlich, als er
eines Tages in der Bondstraße jählings zum
Bewußtsein kam, daß er etliche hundert Schritte
gedankenlos wie ein Nachtwandler zurückgelegt hatte, ohne

    »Wahrhaftig,« brummte er vor sich hin,
»keines von den Gesichtern, die in den letzten zwei Minuten an
mir vorüberhuschten, könnte ich eidlich
feststellen!«
    Diese Thatsache stimmte ihn sehr trübe. Das
Ausgeschlossensein von beruflichen Interessen schien seinem Leben allen
Reiz benommen zu haben. Da fuhr ein feiner Herr, der schon manchen
Namen geführt hatte, in einem prächtig bespannten,
pikfeinen Wagen mit tadellosem Kutscher an ihm vorüber und
ließ den goldgefaßten Kneifer müßig
auf dem tadellosen Handschuh tanzen. Es war wohl fünf Jahre
her, daß Prickelt ihn nicht mehr gesehen hatte, und der andere
hatte den größten Teil dieser fünf Jahre in
stiller Zurückgezogenheit verlebt. Prickett hatte ihm seiner
Zeit zu dieser Erholungsreise verholfen und ihn jetzt im Nu wieder
erkannt. Ein entsagungsvoller Seufzer entrang sich seiner Brust.
    »So, so, wir wären auch wieder im
Lande?« sagte er im Weitergehen vor sich hin. »Vor
sechs Monaten hätte mir das einen
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