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KISSED

KISSED

Titel: KISSED
Autoren: ALEX FLINN
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    Es war ein Schuster ohne seine Schuld so arm geworden, daß ihm endlich nichts mehr übrig blieb als Leder zu einem einzigen Paar Schuhe.
    ~~~ Die Wichtelmänner ~~~
    Ich habe noch nie in meinem Leben eine Prinzessin gesehen. Und so wie es aussieht, werde ich auch heute keine zu Gesicht bekommen.
    Aber fangen wir ganz von vorne an: Ich stamme aus einer Familie, die seit vielen Generationen im Schuhgeschäft ist. Mein Großvater sprach von unserer Arbeit als Flickschusterei, aber das klingt mehr nach Pfuscherei als nach einem Beruf. Schon bevor ich geboren wurde, führte meine Familie den Schuhreparaturladen im Coral Reef Grand, einem schicken Hotel in South Beach, Miami. Zuerst führten ihn meine Großeltern, dann meine Eltern und jetzt führen ihn meine Mutter und ich. Auf diese Weise bin ich den Berühmten und Berüchtigten begegnet, den Reichen und … Armen (okay, das wäre dann ich), Leuten, die Bruno Magli, Manolo Blahnik und Converse (das wäre wieder ich) an den Füßen tragen. Ich kenne die Schönen. Zumindest kenne ich ihre Füße.
    Aber bisher bin ich noch keiner einzigen Prinzessin begegnet.
    »Sie sollte jede Minute hier eintreffen«, unterbricht Ryan meine Gedanken. Er ist einer dieser Collegetypen,die als Rettungsschwimmer hier arbeiten. Ich bin damit beschäftigt, die Sohle von einem Paar Johnston Murphys abzureißen, die der Kunde bis acht Uhr braucht. »Meine Freunde haben mir gerade eine SMS geschickt, ihr Autokonvoi ist vor ’ner Minute durch die Collins Avenue gefahren.«
    »Und was genau geht mich das an?« Ich will sie wirklich gern sehen, aber ich muss auf meinem Posten bleiben. Ich kann’s mir nicht leisten, einen Kunden zu verpassen.
    »Es geht dich was an, Johnny, weil sich jeder – zumindest jeder normale Siebzehnjährige – von der Schuhtheke losreißen würde, wenn eine umwerfend aussehende Prinzessin in der Hotellobby ist.«
    »Manche Leute müssen arbeiten. Ich habe Kunden …«
    »Ja, klar, Schuhe sind wichtig.«
    »Geld ist wichtig.«
    Ryan redet normalerweise nicht mit mir. Wie die meisten Typen in meinem Alter, die hier arbeiten, verdient er was nebenher, um sein Cabrio zu betanken, das er zum Abschluss geschenkt bekommen hat, oder vielleicht auch, um neue Klamotten zu kaufen. Mir fällt auf, dass er ein neues Hollister-Poloshirt trägt, das seine Arme eng umschließt. Wahrscheinlich will er mit seinen Muskeln angeben, die er ständig anspannt.
    Ich hingegen arbeite hier, um meiner Familie zu helfen, und trainiere meine Muskeln höchstens dadurch, dass ich Collegeschuhe durch die McKay-Schuhnähmaschine jage. Auch wenn ich im Herbst in die zwölfte Klasse komme,werde ich nächstes Jahr nicht aufs College gehen. Kein Geld. Ich werde wohl Schuhe reparieren, bis ich abkratze.
    »Willst du sie denn nicht sehen?« Ryan schaut mich an, als hätte ich gerade zugegeben, dass ich noch Windeln trage oder Kiemen habe. Er lässt wieder seine Muskeln spielen.
    Natürlich will ich sie sehen. Ich starre schon die ganze Zeit sehnsüchtig auf die Bilder der Titelseiten von Miami Herald, Miami New Times, Sun Sentinel und USA Today, die mir aus dem Hotelcafé ins Auge springen. Eine Boulevardzeitung behauptet, sie sei mit einem Alien zusammen, aber die meisten zeigen eine wilde Partymaus, die regelmäßig ihre Familie und ihr Land blamiert. Sie ist in einer wichtigen, streng geheimen Angelegenheit in Miami, zu der wahrscheinlich der Konsum von zahlreichen Drinks gehört, die auf tini enden.
    Oh ja, und ich weiß, dass sie umwerfend aussieht.
    Deswegen sollte ich, der das langweiligste aller Leben führt, zumindest einen kurzen Blick auf sie werfen, denn wenn ich irgendwann bei dem Versuch, einen hartnäckigen Stich aufzutrennen, an Arterienverkalkung sterbe, möchte ich wenigstens sagen können, dass ich mal eine Prinzessin gesehen habe.
    »Mr. Farnesworth will nicht, dass wir da draußen herumstehen und sie angaffen. Außerdem: Was ist, wenn jemand vorbeikommt und ich bin nicht da?«
    »Du meinst, in einer Art Schuhnotfall?«, fragt Ryan lachend.
    »Ja. Es ist immer ein Notfall, wenn man seine Schuhe nicht tragen kann. Das kann ich nicht machen.« Ich versuche, es in einem abschließenden Tonfall zu sagen, so wie Mum immer Das können wir uns nicht leisten sagte, als ich noch klein war. Ich wusste dann immer, dass nicht weiter darüber diskutiert wurde.
    »Was ist denn los?« Meine Freundin Meg kommt auf mich zu.
    Ich bin froh, Meg zu sehen; sie arbeitet in der Kaffeebar neben unserem Laden.
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