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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage
Autoren: Keren David
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total auf dieses Zeug abgefahren. Jetzt wären mir ein Fernseher und ein Laptop lieber.
    Helen stellt meine Tasche auf das große Bett und sagt: »Was meinst du, geht das so für dich? Leider ist es für kleinere Kinder ausgestattet, aber wenn du mir sagst, was du gerne hättest, kann ich es dir besorgen. Unten haben wir noch jede Menge anderer Bücher, die kannst du dir ja morgen mal ansehen. Liest du gern?«
    »Ähm, nein …«, antworte ich, in erster Linie, um die Unterhaltung abzutöten. Sie lächelt mich immer noch an, aber zwischen ihren Augen erscheint eine kleine Falte. Wahrscheinlich habe ich sie jetzt enttäuscht, aber das ist mir egal. Ich ziehe mir sowieso lieber die Verfilmung rein, falls es eine gibt.
    »Du kannst sie dir ja trotzdem mal ansehen«, sagt sie. »Die anderen sind alle jünger als du, deswegen sieht es hier so aus.«
    Ich denke kurz an die Schar ihrer Enkelkinder. Wahrscheinlich lesen sie den ganzen Tag Dickens und Shakespeare. Dann kommt es mir plötzlich: die sind alle meine Cousins und Cousinen! Vielleicht habe ich sogar Geschwister! Ich kann nicht glauben, was da gerade mit mir passiert. Allein bei dem Gedanken an die vielen Möglichkeiten brummt mir der Schädel.
    »Hast du alles, was du brauchst?«, erkundigt sie sich, macht einen Schrank auf und holt ein paar große, flauschige, weiße Handtücher heraus.
    »Denke schon.« Dabei habe ich absolut keine Ahnung, was Doug in meine Tasche gepackt hat. Kann gut sein, dass da drei Socken und Mums Nachthemd drin sind.
    »Schlaf gut«, sagt Helen. Ich sehe, dass sie überlegt, obsie mir einen Kuss geben soll und sich dagegen entscheidet. Dann lässt sie mich allein. Ein Glück.
    Ich sehne mich nach einer Dusche, aber ich kann mich nicht von der Stelle rühren. Ich glaube, ich lege mich einfach aufs Bett und warte, bis meine Kraft wieder da ist. Die Steppdecke fühlt sich ein bisschen kratzig an, also ziehe ich sie herunter und entdecke fantastisch weiche, weiße Laken und eine weiche Decke.
    Ich liege auf dem Bett, atme tief ein und denke an das, was ich mir zusammengereimt habe.
    Ich habe Großeltern väterlicherseits. Ich habe noch nie an sie gedacht, und falls doch, dachte ich wohl, sie sind tot, weil sie sich nie um mich gekümmert haben.
    Sie sind richtig stinkreich, während bei uns nie Geld übrig war. Also haben sie uns nie geholfen, und mein Dad auch nicht.
    Meine Tante Louise steht insgeheim seit Jahren mit ihnen in Verbindung. Warum? Sie kennen meine Mum und Gran, aber ich glaube nicht, dass sie mit ihnen Kontakt haben. Warum nicht? Patrick scheint keine gute Meinung von Mum zu haben. Wahrscheinlich hält er sie für eine Schlampe, weil sie mit sechzehn schwanger geworden ist, und mein Dad war auch erst siebzehn.
    Das passt zu den wenigen Bruchstücken, die ich über meinen Dad weiß: Er ist ein gut aussehender, arroganter Drecksack, der nie etwas für uns getan hat. Ohne ihn bin ich sowieso viel besser dran. Viele Mädchen waren scharf auf ihn. Er hat an der Manchester University studiert. Früher ist er auf die St. Saviours gegangen, eine katholischeJungenschule, deshalb hat Mum mich ebenfalls dorthin geschickt. Ach ja, und das Einzige, was er mir je geschenkt hat, war ein Schal von Manchester United . Er und Mum haben früher mal zusammengewohnt, aber es hat nicht funktioniert. Und ich glaube, dass meine Mum einmal angedeutet hat, er hätte sie geschlagen.
    Sie müssen alles über ihn wissen, auch wo er jetzt wohnt. Ich könnte sie alles über ihn fragen. Gut möglich, dass er irgendwann sogar hier auftaucht … warum auch nicht? Aber warum sollte er – nachdem er sich bis jetzt nicht um mich gekümmert hat?
    Mir schwirrt der Kopf und der Brandy rumort in mir, vermischt sich auf ungute Weise mit dem Marsriegel und den Marks & Spencer -Keksen, und mir ist auf einmal ganz schön schwindlig. Aber das Bett ist echt bequem, es ist eine Wohltat, einfach einzuschlafen.
    Als ich aufwache, ist alles dunkel und Alistair sitzt am Fußende des Bettes.

Kapitel 4
Schmutzige Wäsche
    Alistair trägt schwarze Jeans und ein weißes T-Shirt, die Haare hat er wie immer auf seine lächerliche Art gegelt, und er sieht nicht gerade so aus wie jemand, dem vor weniger als vierundzwanzig Stunden in den Kopf geschossen wurde. Ich bin eindeutig wach, also muss er ein Geist sein. Aber ich glaube nicht an Geister. Was ist da los?
    Ich höre nur meinen Atem, der jetzt schneller geht und so klingt wie bei jemandem, der gleich zu wimmern anfängt oder so
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