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Die Legende der Wächter 8: Die Flucht

Die Legende der Wächter 8: Die Flucht

Titel: Die Legende der Wächter 8: Die Flucht
Autoren: Katharina Orgaß
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entmachten, die Schwächere ausnutzen.
    Außerdem würde sie ihm berichten, wie sich Soren und Gylfie damals vor der Mondwirrnis geschützt hatten, indem sie die Legenden von Ga’Hoole aufsagten. Dabei hatte sich ihr benebelter Verstand erholt und ihre Mägen hatten sich wieder geregt.
    Ja, sie würde ihren jungen Gast mit Geschichten über Ga’Hoole wieder aufrichten. Hier im Adlerhorst war er vor der Verfolgung durch seine Mutter sicher. Es hatte sich herumgesprochen, dass Nyra wieder ein Heer um sich sammelte und Söldner und Freie Schmiede anheuerte. Doch ein Adlerpaar und zwei hochgiftige Flugschlangen waren der beste Schutz vor Spitzeln und Häschern.

„Das ist leicht – das ist ein S! Du kannst es ruhig schwerer machen, Slinella!“, rief Nyroc zu den beiden Schlangen hinauf, die sich über dem Adlerhorst in die Lüfte geschwungen hatten.
    Slinella und Stingill brachten ihm das Alphabet bei, indem sie mit ihren schuppigen Leibern Buchstaben nachbildeten.
    „Du willssst etwasss Schwereressss?“, rief Slinella.
    „Klar!“
    Die grünliche Schlange verknotete sich zu einem verwirrenden Gebilde, aber sie war noch nicht fertig, da rief Nyroc schon: „B! Das ist ein B!“
    „Dann gehen wir jetzt zu ganzen Wörtern über“, sagte Nebel.
    Stingill flog neben seine Gefährtin. Die beiden grünen Leiber verflochten sich und bildeten einen Namen.
    „Das heißt ,Blitz‘!“, rief Nyroc.
    Nebel blickte von ihrem Strickzeug auf. „Dann bist du jetzt auch so weit, dass du dir einen neuen Namen aussuchen kannst.“ Eigentlich fand die Fleckenkäuzin Stricken langweilig. Gylfie hatte es ihr beigebracht, nachdem sie es ihrerseits von einer Nesthälterin im Großen Baum gelernt hatte.
    Nebel war der Meinung, dass Nyroc so viel wie möglich über den Großen Baum und die Tätigkeiten seiner Bewohner erfahren sollte. Zwar wusste sie selbst längst nicht alles, aber immerhin zeigte sie Nyroc das Stricken. Von der berühmten Madame Plonk hatte sie ihm auch schon erzählt. Von ihr hieß es, sie sänge wie die Hengliens in Glaumora.
    Nyroc überlegte fieberhaft. Er hatte es satt, „He, du!“ oder „Schätzchen“ oder – noch schlimmer – „Kleiner“ genannt zu werden. Außerdem war er gar nicht mehr so klein. Er war fast ausgewachsen. Doch sosehr er seinen alten Namen auch ablehnte, er hatte ihn schließlich seine ganze Jugend über begleitet. War nicht an jedem Namen auch etwas Gutes, was einem fehlen würde, wenn man den Namen ablegte? Irgendwie war es, als würde man sich einen Flügel oder eine Zehe abhacken.
    „Ich will mich ja nicht einmischen, Schätzchen, aber vielleicht hilft es, wenn du deinen alten Namen mal buchstabierst“, sagte Nebel. „Sozusagen zum Abschied.“
    Gute Idee. Es ist ja auch ein Abschied.
    Nyroc flog zu den beiden Schlangen hoch. „Also … der erste Buchstabe ist … Nnnn … ein N.“ Die Schlangen hakten die Schwänze ineinander und bildeten ein N. Beide zusammen waren aber so lang, dass noch reichlich Schlangenleib für die anderen Buchstaben übrig blieb.
    „Du, Nebel“, rief Nyroc nach unten, „ist der nächste Buchstabe ein I oder ein Y?“
    „Das ist wirklich immer ein bisschen verzwickt, Schätzchen. In deinem Fall ist es ein Y.“
    Nyroc nannte den Schlangen die restlichen Buchstaben. Schließlich stand NYROC am Himmel – und das letzte Zipfelchen Schlange war verbraucht.
    Nyroc hatte seinen eigenen Namen buchstabiert. Er flog an der Schrift entlang. Er fand die Buchstaben schön. Das R ging so lustig rauf und runter, aber am besten gefiel ihm das Y. Es sah so fröhlich aus, als hätte es richtig Spaß daran, ein Y zu sein. Nyroc flog ein paarmal über dem Namen hin und her. Slinella und Stingill verharrten geduldig in ihrer Verschlingung.
    Nyroc flog seinen Namen von links nach rechts ab und dann noch einmal von rechts nach links. Moment mal – das ist die Lösung! Ich behalte die Buchstaben – aber ich drehe sie um. „Ich hab’s!“, jubelte er. „Mein neuer Name ist Coryn!“
    Blitzschnell kehrten Slinella und Stingill die Buchstaben um. Erst sah man nur ein wirres grünes Geschlängel am Nachthimmel, aber dann leuchtete dort in wunderschön geschwungenen Buchstaben:

Coryn würde die Nacht, in der er sich einen neuen Namen gegeben hatte, immer als eine der glücklichsten Nächte seines Lebens in Erinnerung behalten. Überhaupt war er noch nie so zufrieden gewesen wie in der Zeit, die er mit den Schlangen, den Adlern und mit Nebel verbrachte. Knapp
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