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Die Legende der Wächter 8: Die Flucht

Die Legende der Wächter 8: Die Flucht

Titel: Die Legende der Wächter 8: Die Flucht
Autoren: Katharina Orgaß
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Übeltäter ja.
    „Es ist nicht deine Schuld, Kalo“, tröstete der Kauzvater seine Tochter. „Du hättest sie nicht verjagen können.“
    Sie? Sind es mehrere? Von Nyra angeworbene Söldner womöglich?
    „Wir sind nicht die einzige Familie, die überfallen wurde“, sagte die Mutter mit tränenerstickter Stimme. „Überall in Silberschleier wurden schon Nester geplündert. Aber ich hätte nie gedacht, dass sie so tief in die Ödlande vordringen. Unser Bau liegt schließlich gut versteckt.“
    „Wahrscheinlich beschäftigen sie Lauschgleiter“, meinte der Vater.
    „Ich glaube eher, sie sind uns von Silberschleier aus hierher gefolgt. Es ist alles deine Schuld, Harry! Ich war ja gleich dagegen, dass wir den Sommer auf diesem blöden Baum im Silberschleier-Wald verbringen. Wir Höhlenkäuze haben im Wald nichts verloren. Wir gehören in die Wüste oder in kahle Landstriche wie diesen.“ Die Kauzmutter brach abermals in Tränen aus.
    Eine ganz ähnliche Auseinandersetzung hatte Coryn schon vor ein paar Monaten mitangehört. Der Kauzvater hatte den Sommer in Silberschleier verbringen wollen, die Mutter nicht. Jetzt machte sie den Vater dafür verantwortlich, dass die Reinen das Ei geraubt hatten. Coryn spürte einen Stich im Magen. Die Höhlenkäuze taten ihm furchtbar leid. Er war nicht böse auf sie, weil sie ihn beim ersten Zusammentreffen aufs Übelste beschimpft hatten. Sie hatten ihn ja für Nyra gehalten. Aber wie konnte er ihnen helfen? Er musste verschwinden, ehe die drei aus ihrem Bau kamen und sich rachedurstig auf ihn stürzten. Sie würden ihn sicher wieder mit einem Reinen verwechseln.
    Halt! Vielleicht konnte er ihnen ja doch helfen! Vielleicht konnte er das geraubte Ei wiederbeschaffen. Wenn die Reinen tatsächlich in Silberschleier eingefallen und den Höhlenkäuzen in die Ödlande nachgeflogen waren, konnte er womöglich ihre Spur zurückverfolgen. Sein Magengefühl sagte ihm, dass die Nesträuber die Eier nicht sofort nach Sankt Ägolius brachten. Die Flugstrecke war einfach zu lang. Höchstwahrscheinlich gab es in Silberschleier ein Zwischenlager. In welchem Teil des Waldes hatte die Höhlenkauzfamilie wohl den Sommer zugebracht? Da die Mutter so dagegen gewesen war, hatten sie sich vermutlich nicht weit von der Grenze zu den Ödlanden entfernt. Coryn würde auf seiner Reise in die Hinterlande einen kleinen Abstecher machen.

Das Grenzgebiet zwischen den Ödlanden und Silberschleier reichte vom Schattenwald im Westen bis ans Hoolemeer im äußersten Osten. Beim Fliegen überlegte Coryn, was für eine Taktik die Reinen wohl bei ihren Raubzügen anwandten. Nyra dachte immer praktisch. Für den Weitertransport der geraubten Eier hatte sie wahrscheinlich von einem Freien Schmied einen Glutbehälter ausgeborgt oder beschlagnahmt. Denn in ein solches Gefäß passten mehrere Eier auf einmal.
    Coryn vermutete das Eierlager dort, wo der nördliche Zipfel der Ödlande wie ein Dreieck in den Schattenwald und den Silberschleier-Wald hineinragte. Er musste aufpassen, dass er nicht entdeckt wurde. Sollte er seine frühere Gewohnheit wieder aufnehmen und tagsüber fliegen? Bei Tag drohten jedoch Krähenangriffe. Bei Dunkelheit war die Gefahr groß, dass er von den Reinen gefangen genommen wurde. Tolle Wahlmöglichkeiten!
    Er legte den Kopf in den Nacken. Dicke, tief hängende Wolken zogen auf. Der schwindende Mond verströmte nur ein mattes Licht. Coryn konnte über den Wolken fliegen oder sich sogar in ihnen verbergen. Auf diese Weise war er hervorragend getarnt. Ab und zu konnte er den Kopf herausstrecken, um einen Blick auf die Landschaft unter sich zu erhaschen.
    Auch in dieser Gegend war er schon einmal gewesen. Er stellte fest, dass er sich Flugstrecken gut merken konnte und Landschaften schnell wiedererkannte. Unabhängig von der Wetterlage gab es an jedem Ort unverwechselbare Luftströmungen. Auch die Geräusche, die nach oben schallten, waren ganz verschieden. Im Gebirge warf harter Stein den Schall anders zurück als das hohe, weiche Gras in den Ebenen, durch das der Wind strich. Auch jeder Wald hatte sein eigenes Geräuschmuster.
    Vor allem jedoch war Coryn mit den Fluggeräuschen der Reinen vertraut. Die Reinen flogen schnell und machten dabei ordentlich Lärm. Ihre Federfransen – der weiche Saum am Rand ihrer Flügel – waren ungepflegt und struppig. Erst Nebel hatte Coryn beigebracht, wie man seine Fransen pflegte. Als sie ihm gesagt hatte, er flöge inzwischen so geräuschlos wie die
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