Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende der Wächter 8: Die Flucht

Die Legende der Wächter 8: Die Flucht

Titel: Die Legende der Wächter 8: Die Flucht
Autoren: Katharina Orgaß
Vom Netzwerk:
ins Herz geschlossen. Doch von ihnen allen hatte er sich trennen müssen.
    Der Himmel wurde schon hell. Vor sich sah Coryn den Felsen aufragen, unter dem die Höhlenkäuze ihren Bau hatten. Bestimmt schliefen sie schon. Wie sollte er vorgehen? Er wollte sie nicht noch einmal zu Tode erschrecken, aber er konnte das Ei auch nicht einfach neben den Bau legen. Schließlich gab es nicht nur Nesträuber, sondern auch Schlangen, die gern Vogeleier ausschlürften.
    Als Coryn in den Sinkflug ging, hörte er leises Schluchzen aus dem Bau der Höhlenkäuze. Es war die Mutter, die da weinte. Der Vater versuchte seine Frau zu trösten.
    Und jetzt? Coryn landete und legte seine wertvolle Fracht vor dem unterirdischen Bau auf den Boden. Die Sonne ging soeben auf und das Ei warf einen bläulichen Schatten in den Eingang. Harry, der Höhlenkauzvater, sah ihn und sagte zu seiner Frau: „Augenblick, Schatz. Ich will nur mal nachsehen, was da draußen los ist.“
    Coryn zog sich rasch ein Stück zurück. Sein Magen bebte so heftig, dass es ihn schüttelte. Dann vernahm er einen Ausruf: „Komm schnell her, Mistel! Ein Wunder ist geschehen. Unser Ei ist wieder da!“
    Coryn hörte, wie die Höhlenkauzmutter und ihre Tochter aus der Höhle stürzten.
    „Wie … woher …?“, stammelte Mistel staunend.
    Es dauerte ein Weilchen, bis einer der drei Coryn entdeckte, von dem nur die Schwanzfedern hinter einem kleinen Felsen hervorlugten.
    „Nein, das ist kein Wunder“, hörte er ein jüngeres Weibchen sagen. Ihre Füße tappten über den steinigen Boden. „Du …“, sie stockte, „… du hast uns das Ei zurückgebracht, nicht wahr?“
    Coryn nickte, ohne sich umzudrehen. Er hörte das Herz der jungen Höhlenkäuzin schlagen. Sie stand schon ganz dicht hinter ihm. Er steckte den Kopf unter den Flügel.
    „Willst du dich nicht umdrehen?“, fragte sie. „Bitte!“
    Stückchen für Stückchen drehte Coryn sich um, verbarg dabei aber immer noch sein Gesicht.
    „Wer bist du?“, fragte die Höhlenkauzmutter.
    „Warum willst du uns dein Gesicht nicht zeigen?“, kam es von ihrer Tochter.
    „Weil … weil ich nicht der bin, für den ihr mich haltet. Ich habe euch schon einmal erklärt, dass ich nicht Nyra bin. Ich bin ganz anders als meine Eltern. Ich bin Coryn.“ Er zog den Flügel weg.
    Die Höhlenkäuzin schnappte erschrocken nach Luft, trat aber tapfer einen Schritt vor, streckte den Flügel aus und legte ihn Coryn auf die Schulter. „Wir glauben dir. Du hast unser Ei gerettet.“
    „Bitte komm doch in unseren Bau“, sagte Harry. „Komm herein, mein Sohn.“
    Mein Sohn? Noch nie hat mich jemand „Sohn“ genannt.

Das kleine Ei rollte sanft hin und her.
    „Pass gut auf, Coryn! Gleich schüttelt es sich“, raunte Kalo.
    „Es schüttelt sich?“
    „Das machen alle Eier, bevor das Küken schlüpft. Ich hab mich damals auch geschüttelt, aber wie! Mama hat gesagt, ich war im größten Ei, das sie je gelegt hat.“
    „Gib nicht so an!“, mahnte Mistel. „Das hier ist kein Wettbewerb.“
    Nein, es ist ein Wunder , dachte Coryn. Ein Wunder und ein Traum. Erst vor zwei Nächten hatten ihn die Höhlenkäuze in ihren Bau gebeten, aber Coryn kam es vor, als träumte er einen wunderschönen Traum. Einen Traum von einer Traumfamilie. Kalo war so alt wie er. Die Eltern liebten und umsorgten ihre Tochter. Harry und Mistel zankten sich zwar hin und wieder, aber auch sie liebten einander, das spürte man. Und nun durfte Coryn zum allerersten Mal miterleben, wie ein Küken schlüpfte!
    „Sieh nur, Mistel, die Eischwiele bricht schon durch!“
    „Was ist eine Eischwiele?“, fragte Coryn.
    Kalo lachte. „Hat dir das deine Mutter nicht erklärt?“
    „Meine Mutter hat mir gar nichts erklärt“, erwiderte Coryn seufzend. Nyra hat mir immer nur von angeblichen Ruhmestaten erzählt, die in Wirklichkeit Schandtaten waren. In ihren Geschichten über Mut und Treue ging es allein um Hass und Rache.
    Mistel kam Coryn zu Hilfe. „Die Eischwiele ist ein spitzer Hornknubbel, mit dem das Küken die Eierschale sprengt. Kurz nach dem Schlüpfen fällt er ab.“
    Gebannt beobachteten nun alle vier, wie sich von dem kleinen Loch in der Schale ein langer Riss ausbreitete.
    „Dieser erste Riss wird auch ‚Glauxspalt‘ genannt“, sagte Harry leise.
    „Da!“, raunte Kalo. „Es schlüpft! Ich wette, es ist ein …“ „Ein Junge“, wollte sie sagen, aber Harry versetzte ihr einen sanften Rippenstoß. „Wie oft muss ich dir noch erklären,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher