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Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Titel: Die Legende der Wächter 1: Die Entführung
Autoren: Kathryn Lasky
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mich, in deinem Leben eine derart tragende Rolle zu übernehmen.“
    „Mein Leben ist gleich keine zwei Gewölle mehr wert, wenn du nicht endlich etwas unternimmst! Wenn du mich hier unten einfach sterben lässt, ist das ja wohl genauso unpassend. Was würden Mama und Papa dazu sagen?“
    „Sie hätten gewiss vollstes Verständnis für meine Entscheidung.“
    Großer Glaux! Vollstes Verständnis! Wer war denn hier gaga, bitte schön? Soren war so verdattert, dass ihm keine Erwiderung mehr einfiel.
    „Ich hole Hilfe, Soren. Ich frage Hilda um Rat“, ließ sich Mr s P. wieder vernehmen. Hilda arbeitete als Nesthälterin für eine andere Eulenfamilie, deren Nistbaum in der Nähe des Flusses stand.
    „Das lass lieber bleiben, P.!“, entgegnete Kludd darauf in so drohendem Ton, dass sich Sorens Muskelmagen zusammenzog.
    „Nenn mich gefälligst nicht ‚P.‘, das ist sehr unhöflich.“
    „Ob ich unhöflich bin, ist ja wohl deine geringste Sorge, P.“
    Soren blinzelte verwirrt.
    „Ich hole trotzdem Hilfe, Kludd, du kannst mich nicht daran hindern“, entgegnete Mr s Plithiver entschlossen.
    „Ach nein?“
    Über Sorens Kopf raschelte es. Gütiger Glaux, was ging da oben vor?
    „Mr s Plithiver?“
    Keine Antwort.
    „Mr s Plithiver?“
    Vielleicht war sie ja schon zu Hilda unterwegs.
    Soren blieb nichts anderes übrig, als zu hoffen und abzuwarten.
    Es war schon fast dunkel, ein kalter Wind kam auf. Mr s Plithiver ließ sich nicht blicken. Erste Zähn e – so nannte Papa doch diese ersten kalten Winterwinde. Die ersten Zähne des Winters. Der bloße Klang dieser Worte ließ den armen Soren erschauern. Als er den Ausdruck zum ersten Mal gehört hatte, hatte er nicht gewusst, was Zähne waren. Sein Vater hatte ihm erklärt, dass Eulen so etwas nicht besaßen. Die meisten anderen Tiere hatten aber Zähne. Damit zerrissen und zerkauten sie ihre Nahrung.
    „Hat Mr s Plithiver auch Zähne?“, hatte Soren gefragt. Mr s Plithiver hatte nur empört nach Luft geschnappt.
    Seine Mutter hatte rasch gesagt: „Natürlich nicht, Schatz.“
    „Dann erklär mir, wie Zähne aussehen.“
    Die Mutter überlegte einen Augenblick. „H m … Stell dir einfach ein Maul voller Schnäbel vo r – voller spitzer Schnäbel.“
    „Das klingt aber gruselig.“
    „Ist es auch. Darum sollst du ja aufpassen, dass du nicht aus der Höhle fällst oder zu fliegen versuchst, bevor du so weit bist. Waschbären haben nämlich sehr, sehr spitze Zähne.“
    „Weißt du, mein Sohn“, hatte sich der Vater wieder eingemischt, „unsereiner hat keine Verwendung für so etwas wie Zähne. Unsere Muskelmägen nehmen uns das Kauen ab. Ich finde die Vorstellung, etwas zu zerkauen, offen gestanden ziemlich eklig.“
    „Es heißt aber, das Futter schmeckt dann besser“, wagte die Mutter einzuwenden.
    „Na danke! Mein Magen kann das bestens beurteilen. Wo kämen wohl sonst die guten alten Redensarten her: ‚Das sagt mir mein Magen.‘ Oder: ,Ich hab so ein Gefühl im Magen‘, hm, Marella?“
    „Ich weiß ja nicht, ob sich diese Redensarten darauf beziehen, wie das Futter schmeckt, Noctu s …“
    „Die Maus, die wir zum Nachtmahl hatte n … Also mein Magen sagt mir ganz genau, wo sie sich zuletzt aufgehalten hat. Sie hat Süßgras geknabbert und dazu Beerchen von dem jungen Ga’Hoole-Baum, der unten am Fluss wächst. Großer Glaux! Um etwas zu schmecken, brauche ich doch keine Zähne!“
    Ach, dachte Soren verzagt, würde er nun nie mehr mit anhören, wie sich seine Eltern liebevoll zankten? Ein Tausendfüßer krabbelte vorbei, aber Soren schenkte ihm keine Beachtung. Es war inzwischen finster geworden. Soren konnte nicht einmal die Sterne sehen und das war womöglich das Schlimmste. Durch das Dickicht der Baumkronen war gar nichts zu erkennen. Soren sehnte sich verzweifelt nach der Baumhöhle seiner Familie. Von dort aus erblickte man immer ein Stückchen Himmel. Nachts war der Himmel mit Sternen gesprenkelt oder Wolken jagten vorüber. Tagsüber hatte der Himmel oftmals eine wunderschöne blaue Farbe, und manchmal, wenn der Abend anbrach, wurden die Wolken leuchtend orange oder rosa.
    Hier unten auf dem Erdboden roch es ganz komisch, irgendwie feucht und modrig. Der Wind fuhr seufzend durch die Äste über Sorens Kopf, durch Blätter und Nadeln, aber hier unte n … Der Wind schien gar nicht bis zum Waldboden vorzudringen. Es war unheimlich still. Soren hatte Angst. Ein derart stiller, windloser Ort war nicht gut für eine Eule. Hier unten
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