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Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Titel: Die Legende der Wächter 1: Die Entführung
Autoren: Kathryn Lasky
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war alles so ander s …
    Hätte er wenigstens schon ein paar richtige Federn gehabt, hätte er sich aufplustern können und der Dunenflaum unter dem Gefieder hätte ihn warm gehalten. Ob er nach Eglantine rufen sollte? Aber wie sollte ihm seine Schwester helfen? Sie war doch noch viel zu klein. Und wenn er jetzt noch einmal rief, wurden womöglich andere Waldbewohner auf ihn aufmerksam. Solche mit Zähnen!
    Sein Leben war wohl wirklich keine zwei Gewölle mehr wert. Soren wünschte sich seine Eltern herbei. So inbrünstig sehnte er sich nach ihnen, dass er einen bohrenden Schmerz im Magen verspürte. Einen Schmerz wie von spitzen Zähnen.

Entführt!

    Soren träumte von Zähnen und pochenden Mäuseherzen, als er im Halbschlaf ein leises Rauschen dicht über seinem Kopf vernahm. „Mama! Papa!“, entfuhr es ihm.
    Sein Leben lang würde er diesen Ausruf bedauern, denn auf einmal zerriss ein schriller Schrei die Nacht. Soren spürte, wie sich große Krallen um ihn schlossen. Schon wurde er hochgehoben und in die Lüfte entführt. Sie flogen schnell, schneller, als man sich vorstellen konnte, schneller, als Soren je zu träumen gewagt hatte.
    Seine Eltern flogen nie so schnell. Er hatte sie oft dabei beobachtet, wie sie von der Höhle losflogen oder dorthin zurückkehrten. Sie segelten erst ein Stück im Gleitflug, dann schraubten sie sich in wunderschönen, trägen Kreisen empor. Doch jetzt sauste die Erde nur so unter Soren vorbei. Der Wind fuhr ihm unter die Dunen und pikte ihn in die Haut. Der Mond wälzte sich hinter dicken Wolken hervor und tauchte die Welt in schaurig bleiches Licht. Soren hielt Ausschau nach der Bruthöhle, aber die Bäume verschwammen zu dunklen Flächen, dann wurde der ganze Wald von Tyto immer kleiner. Soren ertrug es nicht länger, nach unten zu schauen. Er wagte einen Blick nach oben.
    Als Erstes sah er die ungewöhnlich dicht und struppig befiederten Beine des fremden Eulenmännchens. Er ließ den Blick höher wandern. Die Eule war riesengro ß … War das überhaupt eine Eule? Über den Augen des Vogels sprossen zwei lange Federbüschel, die einem zusätzlichen Flügelpaar glichen. Soren dachte eben, dass er noch nie so einer seltsamen Eule begegnet war, da blinzelte das Eulenmännchen und senkte den Blick. Es hatte gelbe Augen! Solche Augen hatte Soren noch nie gesehen. Seine Eltern und seine Geschwister hatten dunkle, fast schwarze Augen. Die Freunde seiner Eltern, die gelegentlich auf einen Schwatz vorbeigeflogen kamen, besaßen braune Augen, teils mit goldenem Schimmer. Aber gelbe Augen? Hier stimmte doch etwas nich t … Nein, hier stimmte etwas ganz und gar nicht!
    „Da staunst du, was?“ Das fremde Eulenmännchen blinzelte ihn an, aber Soren brachte kein Wort heraus. Darum fuhr sein Entführer fort: „Es ist immer dasselbe mit euch Bewohnern von Tyto. Ihr bekommt nur euresgleichen zu Gesich t – gewöhnliche Schleiereulen, eine so unbedeutend wie die andere und alle gleich.“
    „Stimmt gar nicht“, sagte Soren.
    „Widersprich mir gefälligst nicht!“
    „Ich kenne Gras-Schleiereulen, Masken-Schleiereulen und Ruß-Schleiereulen. Die besten Freunde meiner Eltern sind Gras-Schleiereulen.“
    „Schwachkopf! Das sind doch alles Tytos!“, entgegnete das fremde Eulenmännchen unwirsch.
    Schwachkopf? So unfreundlich drückte sich doch kein Erwachsener aus, wenn er mit einem Jungvogel sprach. Das war sehr ungehörig. Soren beschloss, den Schnabel zu halten und nicht mehr nach oben zu schauen.
    „Ich hätte hier einen Wildling“, hörte er das fremde Eulenmännchen nach einer Weile sagen. Soren wandte unauffällig den Kopf. Mit wem sprach sein Entführer da?
    „Großer Glau x – ob sich der Aufwand lohnt?“ Das andere Eulenmännchen hatte eher bräunliche als gelbe Augen, sein Gefieder war weiß, grau und braun gesprenkelt.
    „Ach, es lohnt sich doch eigentlich immer, Grimbel“, entgegnete Sorens Entführer. „Pass bloß auf, dass dich Spoorn nicht so reden hört. Dann kriegst du nämlich einen Tadel und wir müssen uns wieder eine ihrer endlosen Moralpredigten anhören.“
    Auch das andere Eulenmännchen sah ungewöhnlich aus. Es war kleiner als Sorens Entführer und in seiner Stimme schwang ein eigenartiges Tingg-Tingg mit. Erst auf den zweiten Blick fiel Soren auf, dass diese Eule ebenfalls etwas in den Fängen trug. Das Geschöpf sah einigermaßen eulenhaft aus, war aber winzig klein, kaum größer als eine Maus. Jetzt blinzelte es. Mit gelben Augen! Soren
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