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Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Titel: Die Legende der Wächter 1: Die Entführung
Autoren: Kathryn Lasky
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denn lieber eine Nummer statt eines Namens haben?“
    „Weil ich Hortense heiße!“, flüsterte das Fleckenkauzmädchen. „Den Namen würdest du an meiner Stelle auch gern loswerden. Und jetzt pst! Wir sollen doch keine Fragen stellen!“
    Finny sprach weiter: „Wenn ihr aber brave Eulenkinder seid und in puncto Ergebenheit und Gehorsam fleißige Schüler, werdet ihr gemäß eurer Besonderheit eingestuft und wir verleihen euch euren richtigen Namen.“
    Ich habe doch schon einen richtigen Namen: Soren, dachte der Jungeulerich. Meine Eltern haben mich so genannt. Die Worte hallten in seinem Schädel wider und sogar sein Muskelmagen schien sich abwehrend zusammenzuziehen.
    „Dann wollen wir uns jetzt zur Nummernverleihung aufstelle n – und zur Belohnung gibt’s ein leckeres Häppchen.“
    Sorens Gruppe zählte an die zwanzig Eulenkinder, Soren selbst stand ungefähr in der Mitte. Von dort aus beobachtete er aufmerksam, was nun geschah. Tante Finn y – eine Schnee-Eule, wie ihm Hortense zugeraunt hatt e – legte vor das erste Eulenkind einen Brocken Mäusefleisch ohne Fell auf einen Stein und verkündete: „Du bist Nummer 12-6. Das ist aber eine hübsche Nummer, Liebchen!“
    Jede Nummer war entweder „hübsch“, „allerliebst“ oder „reizend“. Finny beugte sich betulich vor und oft tätschelte sie das Eulenkind, das soeben seine Nummer erhalten hatte, liebevoll. Sie steckte voller Scherze und geistreicher Bemerkungen. Soren dachte schon, dass es schlimmer hätte kommen können, und wünschte Gylfie auch so eine nette Betreuerin, da landete die große, grimmige Eule mit den auffälligen Federohren, die ihn entführt und „Schwachkopf“ genannt hatte, neben Finny. Sorens Magen krampfte sich angstvoll zusammen, als sein Entführer zu ihm herüberstarrte. Dann wandte sich das Eulenmännchen ab und raunte Finny etwas zu. Finny nickte und betrachtete Soren. Bestimmt sprachen die beiden über ihn. Soren musste sich überwinden, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Gleich war er an der Reihe, vor Finny hinzutreten und seine Nummer in Empfang zu nehmen. Vor ihm waren nur noch vier andere Eulenkinder.
    „Hallo, mein Süßer!“, säuselte Finny, als Soren vortrat, „für dich habe ich eine ganz besondere Nummer.“ Soren sagte nichts und Finny fuhr fort: „Ja, bist du denn gar nicht neugierig?“
    Die will mich reinlegen. Hier darf man keine Fragen stellen, dachte Soren.
    Und das war es auch, was er erwiderte. „Hier darf man keine Fragen stellen.“
    Finnys Augen verströmten ein sanftgelbes Leuchten. Soren war einen Augenblick lang verunsichert. Dann beugte sich Finny vor und raunte ihm zu: „Weißt du, Schätzelchen, ich sehe das nicht so eng wie manch anderer. Wenn du also unbedingt eine Frage stellen muss t – dann immer raus damit. Aber sprich bitte leise. Hier hast du auch dein Stück Maus, Liebchen. Und deine Nummer laute t …“ Sie seufzte und ihr weißes Gesicht schien gelblich aufzuleuchten. „Nein, so wa s – meine Lieblingsnummer! Die 12-1! Ist das nicht wunderbar? Das ist eine ganz besondere Nummer und auch du findest ganz sicher bald heraus, was deine besondere Bestimmung als Eule ist.“
    „Danke“, sagte der einigermaßen verwirrte Soren. Er war sehr erleichtert, dass das grimmige Eulenmännchen Finny anscheinend nichts Nachteiliges über ihn berichtet hatte.
    „Dank e … Und weiter?“ Finny kicherte. „Siehst du? Auch ich muss manchmal Fragen stellen.“
    „Dank e … Finny?“
    Abermals beugte sich die Schnee-Eule zu ihm herunter. In ihren gelben Augen funkelte leises Missfallen. „Noch mal!“, raunte sie. „Versuch’s noch ma l – und sieh mir dabei in die Augen.“
    Soren schaute in das gelbe Leuchten. „Danke, Tante Finny.“
    „So ist’s recht, Herzchen. Ich bin halt eine alte Glucke. Ich hab’s einfach zu gern, wenn man mich ‚Tante‘ nennt.“
    Soren wusste zwar nicht, was eine Glucke war, aber er pickte sein Stück Maus auf und folgte seinem Vordermann in das Glaucidium, das, wie sich herausstellte, eine angrenzende Schlucht war. Zwei große braune Eulen mit ungepflegtem Gefieder geleiteten die Eulenkinder dorthin.
    Die Schlucht war nur von einer Seite aus zugänglich und bereits voller schlafender Eulenkinder. Der Mond warf seinen silbrigen Schein auf ihr Gefieder.
    „Kommt rein!“, blaffte jemand von einem hoch gelegenen Felsvorsprung.
    „Du da!“
    Eine rundliche Eule trat auf Soren zu. Sorens Herz schlug höher, denn es war eine Schleiereule wie
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