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Mein Tutor

Mein Tutor

Titel: Mein Tutor
Autoren: Lindsay Gordon
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Wegwerfgesellschaft
    Alison Tyler
    »Es gibt einen feinen Unterschied zwischen ›eingesessen‹ und ›kaputt‹.« Todd schnaubte. »Warum können wir uns nicht wie normale Menschen ein Sofa kaufen?«
    »Wer will denn schon normal sein?«, gab ich zurück und sah die mit Leopardenmuster überzogene Couch in der anderen Ecke an. Selbst aus der Entfernung bemerkte mein trainiertes Auge, dass das ausgeblichene Möbelstück etwa aus den 1890ern stammen musste, was seine Löwenfüße und der geschwungene Mahagonirahmen bestätigten. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie Todd mich auf dem verführerischen Sofa fickte, nachdem er mir einen meiner geliebten Petticoats bis zur Hüfte hochgeschoben und den glänzenden schwarzen Satinslip sowie die Strümpfe und den Strumpfhalter beiseitegeschoben hatte.
    Seine Hand würde meine dunkelbraunen Locken packen und meinen Kopf für einen Kuss nach hinten ziehen, während meine Hände vergeblich auf dem mit einem Löwengesicht verzierten Sofarand nach Halt suchten. Wenn Todd dann in mich hineinstieß, würde ich die Augen schließen und mir vorstellen, ein Hausmädchen aus viktorianischer Zeit zu sein, das vom Herrn des Hauses in einem abgelegenen Zimmer abgepasst und herrlich gefickt wurde, während die Dame des Hauses gerade abwesend war. Hinterher würden wir ermattet zusammen auf die Couch sinken mit ineinander verschränkten Gliedmaßen und uns finstere Fantasievorstellungen über all die anderen Liebenden zuflüstern, die es vor uns auf diesem Sofa getan hatten. Welche Geschichten uns ein mehr als hundert Jahre altes Sofa so alles zu erzählen hätte. Und warum konnte Todd nicht erkennen, was ich darin sah?
    »Das ist wirklich ein schönes Stück.«
    Ich drehte mich um, weil ich sehen wollte, wer da eben gesprochen hatte, während Todd weiterhin so aussah, als könne er es kaum erwarten, das überfüllte Geschäft für Möbel aus zweiter Hand wieder zu verlassen.
    »Woher kenne ich den Mann bloß?« Diese Frage lässt sich im Allgemeinen mit dem Namen eines Schauspielers aus einer Seifenoper oder einem Werbespot für Schmerzmittel beantworten. Aber nein, auch wenn er attraktiv war, wirkte der Mann auf mich nicht wie ein Schauspieler. An ihm war irgendetwas, was dafür einfach zu bodenständig war. Er besaß mehr Substanz, wirkte nicht so oberflächlich.
    Ich merkte, wie Todd den Mann beäugte, sich dann etwas gerader hinstellte, und ich musste mir auf die Unterlippe beißen, um ein Lächeln zu unterdrücken. Uns beiden war sofort aufgefallen, dass Todd kleiner war als der andere. Mir fiel außerdem auf – ich kannte mich zu dieser Zeit deutlich besser mit Männern als mit Mahagoni aus –, dass der Fremde schlank war und kein überflüssiges Gramm Fett an seinem einen Meter dreiundneunzig großen Körper zu haben schien. Zog Todd etwa den Bauch ein?
    Der Fremde strich mit der Hand über den Rahmen eines schokoladenfarbenen verstellbaren Sofas aus den 1960ern, und wenn ich in der Haut dieses Möbelstücks gesteckt hätte, dann hätte ich geschnurrt. »Echtes Kunstleder. Solche Stücke werden heute nicht mehr hergestellt.«
    »Aus gutem Grund.« Todds Gesicht wurde immer finsterer. »Das Ding ist hässlicher als die Hölle.«
    »Hätten Sie lieber eins frisch aus dem Möbelhaus?« In der Stimme des Fremden schwang trockener Humor mit. Er hatte Todds Stil auf den ersten Blick erkannt.
    »Arbeiten Sie hier?« Ich erkannte Todds Tonfall sofort wieder, da er mich auf diese Weise manchmal fragte: »Willst du das wirklich anziehen?«, wenn wir uns für eine Party zurechtmachten, um mich dann zu meinem Schrank zurückzuschicken, damit ich mir etwas weniger Dramatisches, Akzeptableres heraussuchen sollte. Meist musste ich dann die Strass besetzten Nadeln vom Kragen nehmen oder eine normale undurchsichtige Strumpfhose anstelle der Netzstrumpfhose anziehen.
    Der Mann lächelte, und ich bemerkte die kleinen Fältchen rings um seine grauen Augen sowie die Bartstoppeln an seinem Kiefer. Auf einmal wusste ich wieder, woher ich ihn kannte. Er hatte mich vor einigen Monaten bei einer Ladenauktion in der Innenstadt überboten und sich ein Kopfbrett aus Messing gesichert, auf das ich ebenfalls ein Auge geworfen hatte. Die Niederlage hatte ich eine Woche lang betrauert, und offensichtlich hatte meine Frustration das gute Aussehen des Meistbietenden in den Hintergrund gedrängt. Jetzt musste ich an die Bemerkung denken, die Todd vorhin gemacht hatte. Der Begriff »eingesessen« schien auch
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