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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Ostalb in einen zähen Lehm verwandelt, der in dicken Klumpen an den von Scharten zerfurchten Schaufeln der Männer klebte, die trotz der feuchten Kälte ihre groben Leibröcke abgelegt hatten und mit bloßem Oberkörper, nur mit langen Hosen bekleidet, barfuß durch den Schlamm wateten. »Ich weiß wirklich nicht, warum wir uns hier die Beine in den Bauch stehen müssen!«
    Mit einem resignierten Seufzen wandte sich die Gescholtene um, bückte sich nach dem bis zum Rand mit braunen Mönchskutten gefüllten Weidenkorb und hob den Blick der blauen Augen zu der sie um einen halben Kopf überragenden Freundin. Der ansonsten ernste, etwas traurige Ausdruck war für einen kurzen Augenblick unbeschwerter Neugier gewichen. Doch als sie das Missfallen in den dunklen Zügen der zwei Jahre älteren Vren las, huschte ein Schatten über ihr von Sommersprossen übersätes Gesicht, dem die hohen Wangenknochen ein leicht fremdländisches Aussehen verliehen.
    »Seit Wochen redet niemand mehr von etwas anderem«, murmelte sie entschuldigend. »Ich wollte es endlich mit eigenen Augen sehen.« Ihre Stimme bebte leicht, doch als Vren ihr beschwichtigend die Hand auf die Schulter legte, stahlen sich ihre Mundwinkel kaum wahrnehmbar nach oben. »Denkst du, die Geschichten sind wahr?«, fragte sie, nachdem sie dem in der Mitte Ulms gelegenen, direkt an das Franziskanerkloster angrenzenden Bauplatz den Rücken gewandt hatten, um in Richtung Blau davonzueilen.
    Vren zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht«, erwiderte sie nach einigen Schritten, die sie zunächst an feurig gefärbten Buchen und Eichen und dann an der prachtvoll bemalten Fassade des neuen Rathauses am Marktplatz vorbeiführten. »Aber wie sonst willst du diesen Eingang zur Hölle erklären?«
    Ein kalter Schauer richtete die Haare auf Anabels mit grober Wolle bedeckten Unterarmen auf. Mit der freien Linken zog sie die mit einer viel zu großen Kapuze versehene Glocke – einen einfach geschnittenen Umhang, den ihr Vater als zu verschlissen abgelegt hatte – enger, und presste den mit schmutziger Wäsche gefüllten Korb fester an ihre schlanke Hüfte. Wie Vren trug auch sie ein schlichtes, aus erdfarbenem Stoff geschnittenes Hemdkleid, das von einem Gürtel zusammengehalten wurde. Das zu einem beinahe armdicken Zopf geflochtene Haar fiel über die Brust bis an ihre Taille hinab, deren sanfter Schwung verriet, dass sich ihr Körper erst vor wenigen Monaten von seiner kindlichen Schlankheit befreit hatte. Mit ihren vierzehn Jahren stand Anabel an der Schwelle zur Weiblichkeit, deren Gesetze und Anforderungen ihr immer öfter Angstträume bereiteten. »Du solltest nicht so respektlos reden«, flüsterte sie mit einem erschrockenen Blick über die Schulter. »Wenn Henricus oder Franciscus dich hören …« Sie ließ den Satz unvollendet. Allein die Vorstellung, was der Ordensvater oder der Abt des Klosters, in dem sie und Vren ihren Lebensunterhalt verdienten, mit einem Lästerer anfangen würden, ließ ihr lähmende Furcht in die Glieder fahren.
    »Ach was«, schnaubte Vren mit einer wegwerfenden Geste. Zielstrebig steuerte sie auf die kaum wahrnehmbare Erhöhung zu, hinter der sich das auch an diesem Tag übel riechende Fischer- und Gerberviertel an die Stadtmauer presste. Die von unzähligen schmalen Stegen und Brücken überspannte Blau schillerte an einigen Stellen in unnatürlichen Farben, da nicht nur die Ulmer Garnsieder, sondern auch die Werkstätten der Färber und Manger das Wasser zur Herstellung ihrer Waren benötigten.
    »Wenn es wahr ist«, flüsterte Anabel ehrfürchtig, ohne auf das Geschrei der zum Marktplatz strömenden Händler zu achten, »dann wird Gott uns für immer beschützen.« Der ohnehin eintönig bleigraue Himmel verdunkelte sich, als die beiden Mädchen in eine der engen Gassen eintauchten, die an einfachen Bretterhütten und auffallend prächtigen Fachwerkhäusern vorbei den Teil der Stadt durchschnitten, in dem die reichen Tuch- und Gewürzhändler ihre Kontore hatten. »Eine Kirche so gewaltig und hoch, dass man sie selbst von den Dörfern der Alb aus sehen kann«, schwärmte sie weiter und zupfte mit den Zähnen an einem Faden, der sich vom Saum ihres Ärmels gelöst hatte. Den Gerüchten zufolge, die seit Beginn der Arbeiten in der Stadt kursierten, plante der Bischof von Augsburg, dem als Oberherrn über die Diözese der gesamte Klerus Ulms unterstand, mit dem Bau eines neuen Münsters die Ergebenheit und den Reichtum der Königsstadt im
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