Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
nicht schwer zu erkennen, dass der gewitzte Bäckersmann einen Weg gefunden hatte, die strengen Zunftgesetze zu umgehen, mit denen in der Stadt sowohl Preise, Gewichte als auch Angebotsmengen geregelt wurden, was de facto die Konkurrenz unterband. Zwar unterschieden sich seine Waren, für die er sogar den Zunftstempel erhalten hatte, nicht von denen der anderen Anbieter. Doch gelangten sie im Gegensatz zu den am frühen Morgen gebackenen Leckereien der anderen Bäcker ofenfrisch in die Hände der hungrigen Käufer.
    Bevor Vren weiter in ihn dringen und ihn nach der Herkunft des merkwürdig gewandeten Backwarenhändlers fragen konnte, ließ ein gellender Schrei in ihrem Rücken die Mädchen herumfahren und erschrocken zurückweichen. Kein Dutzend Schritt von ihrem Standort entfernt, hatten die Männer der Stadtwache einen Butterhändler hinter seinem Tisch hervorgezogen, um ihn vor den Augen aller auf die Knie zu zwingen, ihm das Wams vom Leib zu reißen und mit einer kurzen Peitsche auf ihn einzuprügeln.
    »Du sollst mitzählen!«, brüllte einer der Wächter den um Gnade flehenden Buttermacher an, der vermutlich mit dem Wässern der Fässer versucht hatte, den Verlust des beim Betreten der Stadt fälligen Torzolls wettzumachen. Doch außer einem Wimmern entrang sich der Kehle des Gestraften kein Laut.
    »Zehn, elf, zwölf«, übernahm einer der Gaffer die Aufgabe des Bauern, dessen Rücken bereits an mehreren Stellen blutige Striemen aufwies.
    »Lass uns gehen«, drängte Anabel, in der beim Anblick des Geprügelten nur allzu bekannte Gefühle aufstiegen. »Henricus wartet.«
    Mit einem tiefen Seufzer riss sich Vren von dem kläglichen Anblick der vollen Auslage ihrer Familie los, umklammerte ihren Korb fester und folgte Anabel, die der Fluchtinstinkt zu ungewohnter Forschheit angestachelt zu haben schien. Vorbei an den duftenden Ständen der Gewürz- und Weinhändler eilten sie durch die von den prächtigen, zeltartigen Ständen der Barchent- und Leinenhändler gebildeten Gassen, in denen sich die Reichen und Schönen Ulms ein Stelldichein gaben, überquerten die Straße in Richtung Kloster und hasteten auf die abweisend wirkenden Mauern der Abtei zu, von deren Dächern sich krächzend ein Schwarm Krähen in die Lüfte erhob.
     

Kapitel 2
     
    »Ihr werdet sie nicht noch einmal zur Ader lassen!« Die erzürnte Stimme der Beginenmeisterin Guta Staiger durchdrang selbst die dickbohlige Tür, die ins Innere des klösterlichen Hospitals führte, wo sich die stämmige Schwester vor dem schlanken, hoch aufgeschossenen Infirmarius Paulus aufgebaut hatte, der sie mit einem mordlustigen Ausdruck in den wasserblauen Augen anfunkelte.
    »Sie hat gerade erst entbunden«, fuhr Guta etwas ruhiger fort, machte jedoch keinerlei Anstalten, dem mit einer Fliete – dem breiten Messer der Ärzte – bewaffneten Mönch aus dem Weg zu gehen.
    »Sie hat zu viel schwarze Galle in ihrem Körper«, beharrte der Infirmarius mit mahlenden Kiefermuskeln. »Wenn das Gleichgewicht der Körpersäfte nicht wieder hergestellt wird, wird sie sterben. Geht zur Seite, ich muss die Kopfader öffnen!« Mit einer Bewegung der Hand, welche die im Kerzenlicht aufblitzende Fliete umklammert hielt, gab er Guta zu verstehen, dass sie ihm nicht länger den Zugang zu der Armbeuge der totenbleich in den Kissen liegenden Patientin verweigern solle, da diese ansonsten an der fauligen Vergiftung ihres Blutes zugrunde gehen würde.
    »Wenn sie noch mehr Blut verliert, wird sie die Nacht ganz sicher nicht überleben«, fauchte Guta den Franziskanerbruder an, der mit einer Kopfbewegung den hinter ihm lauernden Tonsor in den Vordergrund zitierte.
    »Weib, habt Ihr die Lehren der alten Meister studiert oder ich?«, herrschte Paulus sie an, woraufhin die Meisterin verächtlich die Lippen schürzte.
    »Wenn unsere Sammlung Euch nicht unterstützt hätte, dann wäre es Euch wohl kaum möglich gewesen, Euer Studium zu beenden«, stellte sie sachlich fest und vertrat auch dem Tonsor den Weg. Ohne die finanzielle Unterstützung der Beginen, die allesamt aus wohlhabenden Patrizierfamilien stammten, wäre so mancher Luxus in dem Kloster des Bettelordens undenkbar, das wusste Paulus genau. Doch dieses Wissen hielt ihn nicht davon ab, die unverschämten Weiber, die sich mit einem in seinen Augen teuflischen Winkelzug um das päpstliche Beginenverbot gedrückt hatten, aus tiefstem Herzen zu verachten!
    »Ihr habt keine Befehlsgewalt über uns«, legte Guta den Finger in genau
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher