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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels
Autoren: Silvia Stolzenburg
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diese Wunde, und nur mit Mühe unterdrückte Paulus ein zorniges Zittern. »Nur weil Ihr Euer Hospital mit uns teilt, bedeutet das nicht, dass Ihr über uns verfügen könnt.«
    Durch, dessen war sich Paulus sicher, doppelzüngige Überredungskunst hatten die Beginen die Bürger und den Bürgermeister der Stadt Ulm dazu bewegen können, ihre Freiheit und wirtschaftliche Unabhängigkeit so zu besiegeln, dass selbst der Papst nichts daran zu rütteln vermochte. Anders als die Schwestern des etwa drei Meilen außerhalb der Stadt gelegenen Klarissenklosters in Söflingen unterstanden die Beginen weder dem Abt Franciscus noch dem Bischof von Augsburg. Und das allein war Grund genug, in Paulus ebenfalls ein Ungleichgewicht der Kardinalsäfte hervorzurufen. Mit hochrotem Kopf unternahm er einen letzten Versuch: »Wenn sie unter Eurer Obhut stirbt, dann habt Ihr das Leben eines unschuldigen Lammes auf dem Gewissen.«
    Mit einem Schulterzucken strich Guta die Röcke ihrer Kutte glatt und ließ sich neben der lautlos um Wasser flehenden Wöchnerin nieder, um ihr eine Holzschale an die Lippen zu setzen und mit einem feuchten Tuch die Stirn zu tupfen. »Dieses Risiko nehme ich frohen Herzens auf mich«, versetzte sie gelassen und signalisierte das Ende der Unterhaltung, indem sie den beiden Brüdern den Rücken zukehrte.
    Die Hände an den Seiten zu Fäusten geballt, machte Paulus auf dem Absatz kehrt, packte den Tonsor an dem weiten Ärmel seines Gewandes und stürmte auf den in den Hof führenden Ausgang des flachen Gebäudes zu, der selbst im Winter offen stand, um genügend frische Luft in die von Kranken überfüllten Räume zu lassen.
     
    Nur mit Mühe gelang es Anabel, die sich im Schatten eines der Arzneischränke verborgen hatte, nicht aufzuschreien, als sowohl Paulus als auch der Tonsor so dicht an ihr vorbeistampften, dass der Luftzug ihr die losen Haarsträhnen in die Augen fegte. Auf Befehl des wenig gnädigen Henricus, der Vren und ihr eine Standpauke über Pünktlichkeit und Faulheit gehalten hatte, hatte sie einen Arm voller frisch gesäuberter Binden aus dem Arzthaus geholt, das direkt an die Hospitalgebäude anschloss. Verunsichert durch den Streit zwischen Guta und Paulus drückte sie sich im Schatten des Fachwerks an der Wand entlang, um die Bandagen möglichst unauffällig in den Raum des Infirmariums zu schaffen, in dem die verunfallten Handwerker und Bauarbeiter behandelt wurden. Die schmucklosen Wände des Krankenhauses wurden lediglich hie und da von einfachen Kruzifixen und den das Dach stützenden Balken unterbrochen, und hätte nicht eine Vielzahl von Kerzen das Innere des Hospitals erhellt, wäre der Eindruck weitaus beklemmender gewesen. In dicht aneinander gedrängten Bettkästen fieberten, stöhnten und erbrachen sich Männer und Frauen mit von Steinen oder Karrenrädern zerschmetterten Gliedern, Kranke, die an nicht erklärbaren Durchfällen litten und Kinder, deren Haut mit Blasen, Pusteln und Ausschlägen überzogen war. Etwa zwei Dutzend Lager waren belegt mit ausländischen Schiffern und Händlern, die vor Kurzem mit einer Krankheit eingeliefert worden waren, die sich niemand erklären konnte. Schaudernd wandte Anabel den Blick von den zum Teil apfelgroßen Beulen ab, mit denen ihre Leiber übersät waren. Auch wenn die Brüder und Schwestern die Leidenden immer wieder zudeckten, warfen diese die dünnen Laken brüllend ab, sobald der Stoff die Schwellungen berührte. Bevor das Mädchen in der nebenan gelegenen Kammer verschwinden konnte, ließ Gutas Stimme es innehalten. »Anabel, ich möchte, dass du die Nächte von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag bei dieser Patientin bleibst.«
    Die Erleichterung verbergend, die sie bei diesem Befehl durchströmte, wandte sich die junge Frau zu der Schwester um, verneigte sich leicht und murmelte: »Ja, Meisterin.« »Du musst dafür sorgen, dass sie genug isst und trinkt«, fuhr Guta fort. »Damit sie wieder zu Kräften kommt«, setzte die Begine nach einer kurzen Pause, in der sie der Kranken den Mund abwischte, hinzu.
    »Ich werde mein Bestes tun«, versprach Anabel und zog sich, nachdem die Schwester sich mit einem wohlwollenden Lächeln wieder abgewandt hatte, zurück.
     
    Die Sonne war bereits vor mehreren Stunden hinter dem Horizont versunken, als sich Anabel endlich auf den Weg zu dem in der Nähe des nördlichen Stadtgrabens erbauten Haus ihres Vaters aufmachte, um dort ihr Tagwerk zu beenden. Geschickt den Bettlern und
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