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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels
Autoren: Silvia Stolzenburg
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leid.
    Nachdem sie sowohl das Kraut als auch die Birnen bis auf den letzten Bissen verzehrt hatte, erhob sie sich mit einem Griff an den vollen Bauch, schob Ida in Richtung Kamin und langte nach dem schmutzigen Korb, der neben der Kochstelle darauf wartete, mit Feuerholz gefüllt zu werden. Ohne sich die Mühe zu machen, eine Kerze mitzunehmen, taste sie sich durch den dunklen Korridor, über dem eine schmale Treppe ins Obergeschoss des Hauses führte, trat in den Hof hinaus und steuerte zielstrebig auf den übermannshohen Haufen Brennholz zu, der erst vor wenigen Wochen geliefert worden war. Von nebenan drangen das Gackern der Hühner und das Schnauben der Zugtiere an ihr Ohr, deren Stall ebenso von der Wärme der Glockenhütte profitierte wie die Schlafkammern der Hausbewohner. Lediglich die windschiefe Kate am hintersten Ende des Hauses, die sich zwischen Lager und Ställe kauerte, hatte im Winter Außentemperatur. Da sie kein zweites Mal laufen wollte, füllte sie den Korb bis weit über den Rand hinaus, hievte ihn mit einem Ächzen in die Höhe und presste ihr Kinn auf das raue Holz, um die obersten Scheite vor dem Herunterpurzeln zu bewahren. Obschon sich zu der Kälte inzwischen ein alles durchdringender Regen gesellt hatte, trat ihr bereits nach wenigen Momenten der Schweiß aus den Poren, und als sie das Holz neben der Feuerstelle abgesetzt hatte, war sie beinahe froh darüber, erneut in die Nacht hinaustreten zu können. Mit wunden Fingern griff sie nach dem Seil des am Brunnen befestigten Schöpfeimers und stieß diesen in die schwarz gähnende Öffnung hinab.
    Immer und immer wieder schleppte sie den mehrere Schöpfladungen Wasser fassenden, heftig schwappenden Kücheneimer ins Innere des Hauses, um sowohl Gertruds Bottich als auch die Waschschüsseln in den Schlafkammern zu füllen. Als endlich alle Arbeiten erledigt waren, verabschiedete sie sich von ihrer Stiefmutter, die im Licht der nur noch schwach glimmenden Feuerstelle ein Kleidungsstück ausbesserte, schlüpfte in die Schlafkammer, die sie sich mit ihren Geschwistern teilte, und sank mit schmerzenden Gliedern auf die harte, für ihren Bettkasten viel zu kleine Matratze.
    Viele Stunden später riss sie das Schlagen einer Tür aus dem tiefen, traumlosen Schlaf, in den sie beinahe ungehend gefallen war. Doch als die über ihrem Kopf knarrenden Bohlen und ein heiseres Lachen verrieten, dass ihr Vater nach Hause gekommen war, verkroch sie sich hastig unter dem klumpigen Kissen und versuchte zu verdrängen, was Gertrud in dieser Nacht noch bevorstand.
     
     

Kapitel 3
     
    Wehmütig drehte Bertram den etwa handtellergroßen Fratzenkopf zwischen den schwieligen Fingern hin und her, während er gegen die immer unaufhaltsamer in ihm aufsteigende Panik ankämpfte. Wie um einen Halt in der über ihm zusammenbrechenden Welt zu suchen, heftete sich der Blick seiner beinahe ebenholzfarbenen Augen auf die fein gearbeiteten Züge des Miniaturwasserspeiers, den er erst vor einigen Tagen vollendet hatte. Neben überzeichnet großen Nasenlöchern wurde das Gesicht des dämonenhaften Wesens von überaus lebendig wirkenden Augen beherrscht, über denen sich eine wulstige Stirn wölbte. Am Kinn der kleinen Figur reckte sich ein kecker, geflochtener Spitzbart nach oben, der sich mit dem mit Schlangenköpfen verzierten Nasenring verband, durch den im Fall eines Regenschauers ein etwa fingerdicker Strahl beinahe waagrecht nach vorne spritzen würde.
    Aber dazu würde es vermutlich niemals kommen. Mit einem energischen Blinzeln verdrängte Bertram die Tränen, die ihn seit dem vergangenen Abend zu ersticken drohten, setzte die Figur behutsam auf dem Tisch ab und legte den Kopf in die Handflächen. Nach dem Besuch des Glockengießers am Vortag hatte er vergeblich versucht, Schlaf zu finden, hatte mit dem Gedanken gespielt, davonzulaufen, ihn jedoch genauso schnell, wie er gekommen war, wieder verworfen, da er damit sein Todesurteil unterschrieben hätte. Zu genau wusste er, wie gering die Überlebenschancen eines Bettlers waren, da er allzu oft hoch erhobenen Hauptes die um ein Almosen flehenden Krüppel, Aussätzigen und Kinder ignoriert hatte. Vielleicht wollte Gott ihn für seinen Hochmut bestrafen, brütete er und schob geistesabwesend das kleine Bündel, das seine gesamte Habe enthielt, vor sich hin und her.
    Warum hatte sein Vater auch ausgerechnet ein Jahr vor Bertrams Mündigkeit gegen die Zunftregeln verstoßen müssen? Im nächsten September, mit der Vollendung
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