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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Sorgen, die er ihr in letzter Zeit immer wieder zuwarf, wenn er sich unbeobachtet wähnte. »Ich nehme an, er trifft sich dort mit einigen der Zunftältesten«, erwiderte sie lahm, da selbst ihr schon zu Ohren gekommen war, was sich im Inneren des meist bis in die frühen Morgenstunden hell erleuchteten Hauses am Fuße des Gänsturms abspielte.
    Wie erwartet, prustete Vren respektlos. »Das glaubst du doch selber nicht! Der wird sein Keuschheitsgelübde genauso ernst nehmen wie den Schwur, in Armut zu leben«, bemerkte sie spöttisch und griff sich wenig damenhaft an die Brust, um das Tuch, mit dem sie sich den Busen brutal auf die Rippen zu schnüren pflegte, fester zu zurren. Bei dem Anflug von Zorn, der dabei ihr Gesicht verdunkelte, verkniff sich Anabel nur mühsam ein Schmunzeln. Wenn Vren doch nur nicht so furchtbar eitel wäre!, dachte sie mitleidig, da sie wusste, wie sehr es der Freundin zu schaffen machte, dass ihre Brust entgegen dem wenig kompromissbereiten Modegeschmack groß und schwer war, anstatt sich klein und apfelförmig unter ihrem Leibchen abzuzeichnen. Wenn es nach Vren ginge, hätte sie sicherlich schon zu den ekelhaft stinkenden Tränken gegriffen, welche die heilkundigen Beginen den wohlhabenden Bürgerinnen anboten, die im Hospital entbanden.
    »Ich würde mich in Grund und Erdboden schämen, wenn mein Bräutigam mich in der Hochzeitsnacht verschmäht, weil er denkt, mein Busen sei schon von einem anderen lang gezogen worden«, hatte Vren vor einigen Wochen gejammert und sofort ein Gesicht gezogen, als Anabel geschmunzelt hatte. »Du hast gut lachen«, hatte sie anklagend hervorgestoßen. »Deine Brust sieht ja nicht aus wie das Euter einer Kuh!« Das war zu viel gewesen für das schmächtige Mädchen, und auch jetzt noch wollte ihr die Erinnerung daran die Tränen in die Augen treiben. Doch der Gedanke an Hochzeit und Vermählung ließ sie augenblicklich ernüchtern. Mit geschickten Bewegungen faltete sie das vorletzte Kleidungsstück in den Weidenkorb und ließ das weiß-graue Seifenstück über ein von Rotweinflecken übersätes Skapulier – den Überwurf der Barfüßer – gleiten, das nach Erbrochenem und altem Schweiß stank. Wenn ihr Vater nicht bald einen Bräutigam für sie suchte, würde sie als alte Jungfer enden!
    Ihr Vater. Ohne es zu merken, hatte sie sich geduckt und die Schultern eingezogen, da allein die Vorstellung des hünenhaften, häufig übellaunigen Glockengießermeisters genügte, um jede Faser ihres Körpers vor Furcht vibrieren zu lassen. Wenn er betrunken war, was in letzter Zeit immer häufiger der Fall war, ließ er vermehrt Bemerkungen fallen, die zum Inhalt hatten, dass er nicht plante, seine nichtsnutzige Brut bis an deren Lebensende durchzufüttern.
    Trotz des kalten Wassers, das ihre Finger inzwischen in steife Eiszapfen verwandelt hatte, spürte Anabel, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Immerhin machte er einen wesentlich besseren Schnitt mit dem, was sie an Lohn aus dem Kloster mit nach Hause brachte, als wenn er sich eine fremde Hilfskraft zulegte, die dieselben Arbeiten erledigte wie Anabel, wenn sie abends müde und erschöpft in das an die Glockengießerei anschließende Wohnhaus zurückkehrte!, dachte sie trotzig. Auch würde sich eine Hilfe sicherlich nicht um Gertrud, Ida, Johann und Uli kümmern – ihre Stiefmutter und deren drei Kinder –, wenn der aufbrausende Hausherr wieder einmal allzu nachdrücklich von seinem Stockrecht Gebrauch gemacht hatte.
    Ein Geräusch zu ihrer Rechten ließ die Mädchen aufblicken. Unter einem niederen Durchgang waren soeben zwei zerlumpte Gestalten aufgetaucht, von denen eine die andere mit dem Rücken gegen die von der Feuchtigkeit schlüpfrigen Steine drängte, um mit der Hand gierig unter deren Röcke zu greifen. Einem Instinkt folgend verlagerte Vren die Stellung, um sich zwischen die zu grunzendem Geschlechtsverkehr übergehende Hure und deren Freier und die beiden Bauerntöchter zu schieben. Doch eines der Mädchen hob überrascht den Kopf und entblößte zwei verfaulte Zahnreihen. »Ihr habt wohl noch nie Leute beim Ficken gesehen?«, fragte es mit einem unschuldigen Augenaufschlag, der in solchem Gegensatz zu der ordinären Wortwahl stand, dass Anabel die Erwiderung im Halse stecken blieb. Zwar war auch ihr seit frühester Kindheit klar, was Gertrud und Conrad in der im ersten Stock ihres Hauses gelegenen Schlafkammer trieben. Jedoch erfüllte sie der tierische, oft von Klatschen oder Stöhnen
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