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Des Koenigs Konterbande

Des Koenigs Konterbande

Titel: Des Koenigs Konterbande
Autoren: Alexander Kent
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Des Königs Offizier
    Konteradmiral Sir Marcus Drew stand am Fenster und beobachtete gedankenverloren das Gewimmel der Fußgänger und Kutschen draußen vor dem Admiralitätsgebäude. Die Fenster seines geräumigen Dienstzimmers waren so hoch und breit, daß er mit Leichtigkeit im Strom der Passanten die regelmäßigen Besucher erkennen konnte, die täglich – manche sogar stündlich – in die Korridore der Admiralität zurückkehrten, immer in der Hoffnung auf Wiedereinstellung: junge und ältere Kapitäne, deren Wagemut einst dem kriegsgeschüttelten England Stolz und Hoffnung zurückgegeben hatte. Der Konteradmiral verbrachte den größten Teil seiner Dienstzeit damit, wenigstens die hartnäckigsten Bewerber anzuhören; die Mehrzahl ließ er ohnehin von seinen Untergebenen abwimmeln. Blicklos starrte er die Pfützen an, die ein heftiger Regenschauer auf dem Kopfsteinpflaster hinterlassen hatte. Jetzt glänzten sie wieder wie blaßblaue Seide und spiegelten den Aprilhimmel über London. Die Regenwolken waren abgezogen.
    Frühjahr 1792 – und wieder ein Jahr der Unsicherheit und drohenden Gefahr, ausgehend von jenseits des Ärmelkanals.
    Man hätte es nicht für möglich gehalten, wenn man die feinen Ladies in ihren koketten Roben da unten sah, begleitet von sorglosen, angeberischen Stutzern.
    Vor zwei Jahren, als die Nachricht von den blutigen Exzessen der französischen Revolution London wie eine Breitseite erschütterte, hatten viele gefürchtet, daß der Horror der Guillotine, die Mordgier des Mobs die Straße von Dover überspringen könnte. Andere, und das war vielleicht nur natürlich, sahen schadenfroh zu, wie sich der alte Feind selbst zerfleischte. Vielleicht wäre es klüger gewesen, wenn England endlich einmal die Regeln der Kriegsführung außer acht gelassen und Frankreich angegriffen hätte, solange es sich in seinem eigenen Blut wälzte. Aber dieser Schritt war nicht einmal erwogen worden.
    Drew wandte sich ab; der Rest des Tages und die Freude auf das Dinner in St. James, wo er später mit Freunden Whist spielen wollte, waren ihm verdorben. Ihre Lordschaften waren wundergläubig, falls sie wirklich annahmen, daß die Flotte, die sie in den zehn Jahren seit der amerikanischen Revolution in den Häfen und auf den Reeden hatten verrotten lassen, jetzt plötzlich wieder auf die alte Stärke gebracht werden konnte. Matrosen und Seesoldaten waren zu tausenden in die Wüste geschickt worden, weil ihr Land, für das so viele im Dienst des Königs Leben oder Gesundheit hingegeben hatten, sie plötzlich nicht mehr brauchte.
    Auch den Offizieren erging es nicht anders. Die glücklicheren darbten mit Halbsold an Land oder bettelten um Posten bei der Handelsmarine, nur um auf die See zurückkehren zu können, die ihr Lebensinhalt war.
    Mit seinem eigenen Los war Konteradmiral Drew allerdings recht zufrieden. Er konnte sogar hoffen, seine Mätresse jetzt auf Dauer irgendwo zu etablieren, seit er ihrem Ehemann, einem jungen Kapitän, eine Versetzung nach Indien verschafft hatte.
    Er betrachtete das riesige Schlachtengemälde an der gegenüberliegenden Wand. Es zeigte Admiral Vernons Siebzig- Kanonen-Flaggschiff
Burford
unter wehenden Kriegsflaggen, wie es aus nächster Nähe eine spanische Festung mit seiner Breitseite beschoß. So stellte sich das nach Romantik gierende Publikum gern den Seekrieg vor: den Pomp und Heldenmut der Schlacht, aber nicht die Ströme von Blut und das schmutzige Skalpell des Chirurgen.
    Sir Marcus gestattete sich ein bitteres Lächeln. Vernons Seegefecht lag schon ein halbes Jahrhundert zurück, aber die Schiffe hatten sich seither kaum verändert. Nein, sagte er sich, sein Dienst in der Admiralität war dem Posten auf irgendeinem Achterdeck bei weitem vorzuziehen. Immerhin konnte er sich hier seiner Mätresse und seiner eleganten Londoner Stadtwohnung erfreuen. Natürlich mußte er sich sonntags neben seiner Frau im Kirchengestühl auf dem Familiengut in Hampshire sehen lassen, doch das war nicht zuviel verlangt.
    Er kehrte zu seinem pompösen Schreibtisch zurück und ließ sich seufzend daran nieder. Sein Sekretär hatte ihm die Personalakten hübsch der Reihe nach gestapelt. Dessen Aufgabe war es auch, die Wiedereinstellungsgespräche nach einer vereinbarten Zeitspanne mit dem Hinweis auf einen wichtigen Termin zu unterbrechen. Ein Ende war sonst nicht abzusehen.
    Bald mußte Frankreich England den Krieg erklären, und wie immer würden sie völlig unvorbereitet sein. Zu wenig
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