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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels
Autoren: Silvia Stolzenburg
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ganzen Land zu verkünden.
    »Ach, hör schon auf«, schalt Vren und bugsierte Anabel mit einem Kopfschütteln in den dunkel gähnenden Eingang einer Häuserschlucht, zwischen deren Wänden sich zahllose Wäscheleinen spannten. Den von den frisch gesäuberten Kleidungsstücken herabfallenden, vom Wind verwirbelten Rinnsalen ausweichend, schlängelten sich die jungen Frauen zwischen Unrathaufen und Abortrinnen hindurch bis ans Ende des Sträßchens, wo ein aus halb verfaulten Bohlen gezimmerter Steg ins seichte Wasser der Blau führte. Mit einem knappen Nicken begrüßten sie die beiden etwa siebenjährigen Mädchen, die bereits am Ufer des Flüsschens knieten, um mit feuerroten Händen den Schmutz aus dem schwarz-blauen Zeug zu waschen, das sie als Angehörige des Bauernstandes auswies. Wie jede Woche waren auch am heutigen Mittwoch die Bewohner der umliegenden Dörfer in die Stadt gekommen, um auf dem städtischen Markt ihre Erzeugnisse feilzubieten oder sich mit den Waren der Handwerker und Händler einzudecken. Was das Gewimmel erklärte, das in Anabel stets ein Gefühl der Beklemmung auslöste. Anders als die Freundin konnte sie den ungewohnten Haartrachten, üppigen Kopfputzen und unanständig tiefen Halsausschnitten der reichen Damen nichts abgewinnen, da sie es für Zeitverschwendung hielt, Dingen nachzuhängen, die sie sich ohnehin niemals würde leisten können. Mit einem halb traurigen, halb belustigten Lächeln blickte sie auf den Rockteil ihres mehrfach ausgebesserten Kleides hinab, das vermutlich einen weiteren Winter würde überdauern müssen. Denn wie sie ihren Vater kannte, hatte er nicht vor, auch nur einen unnötigen Schilling für die weltlichen Bedürfnisse seiner Tochter zu verschwenden! Mechanisch griff sie nach dem dünnen Tuch der Sommergewänder, welche die Mönche vor Anbruch des Winters reinigen ließen, um sie im Frühjahr zur Hand zu haben.
    Kaum berührte das eiskalte Wasser ihre Haut, sog sie zischend die Luft durch die Zähne, ignorierte den brennenden Schmerz jedoch augenblicklich, als sie die Blicke der Bauerntöchter auf sich spürte. »Ich bin wirklich froh, dass wir der alten Hexe und Henricus wenigstens ab und zu entfliehen können«, schnatterte Vren weiter – Anabels erschrockenes Einatmen geflissentlich ignorierend. Obschon auch Anabel sich vor der strengen, stets ein wenig männlich wirkenden Meisterin Guta Staiger – der Vorsteherin der klosterähnlichen Beginensammlung, deren Gebäude im Nordosten an das Franziskanerkloster angrenzten – fürchtete, schätzte sie die selbstlosen Taten der Schwestern sehr Wie oft schon hatte sie bei der harten Arbeit im Hospital des Mönchsklosters die bescheidenen Beginen, die trotz ihrer ordensähnlichen Organisation freie Bürgerinnen waren, mit bewundernden Blicken bedacht und sich gewünscht, irgendwann so viel Geld zu besitzen, um selbst in die Schwesternschaft eintreten zu können. Da jedoch die Aufnahmegebühr im Normalfall bei über fünf Pfund und fünf Schilling lag, blieben diese Hoffnungen gestaltlose Wolkenschlösser. Die verteidigenden Worte, die ihr auf der Zunge brannten, hinunterschluckend, biss sie sich auf die Unterlippe und presste die grobborstige Bürste noch fester auf einen hässlichen Rußfleck, der eines der Novizengewänder entstellte.
    »Weißt du, was ich gestern Abend gesehen habe?«, setzte Vren die Unterhaltung nach einigen Augenblicken des Schweigens ungerührt fort, wartete jedoch nicht auf eine Antwort. »Als ich auf dem Weg zur Backstube war, hat sich Franciscus klammheimlich in die Oststadt geschlichen!«
    »Ich weiß«, versetzte Anabel mit einem resignierten Seufzer. Manchmal war die Klatschsucht ihrer Freundin, die nach verrichtetem Dienst im Kloster in der väterlichen Bäckerei mit anpacken musste, wirklich unerträglich. »Er geht jeden Dienstag ins städtische Badehaus«, belehrte sie Vren, deren dunkle Augen bei dieser Information aufleuchteten.
    »Warum um alles in der Welt tut er das wohl?«, bohrte diese weiter, während sie mit einem kleinen Brett das Wasser aus dem vollgesogenen Stoff schlug. »Wo er doch nicht einmal zwei Dutzend Schritt vom Abthaus entfernt ein eigenes hat!«
    Dieses Argument ließ Anabel die Stirn runzeln. Wie vielen der bezahlten Hilfskräfte im Kloster war ihr der jungenhaft wirkende Franciscus, hinter dessen strahlendem Lächeln sich oft harte Entschlossenheit und – den Novizen gegenüber – Grausamkeit verbargen, unheimlich. Auch machten Anabel die Blicke
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