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Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Titel: Die Kultur der Reparatur (German Edition)
Autoren: Wolfgang M. Heckl
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natürlich muss ein Produkt, solange es verwendet wird, nicht mit viel Energie und hohem Arbeitsaufwand zerlegt und neu konzipiert werden. Dem Einwand, in einer Welt voller langlebiger Produkte gäbe es weniger Arbeitsplätze, ist zu entgegnen, dass Arbeit kein Selbstzweck ist, sondern einen Sinn für ein größeres Ganzes haben sollte.
    Wohl aber müssen wir recyceln, nun da die Erdoberfläche fast ausgebeutet ist. Bei der Ölförderung stellt sich z. B. die Frage: Wie viel Energie müssen und sollten wir einsetzen, um wie viel Energie herauszuholen? Und darf man bei der Exploration neuer Ölvorkommen zwei Barrel Energieeinsatz wagen, um am Ende nur ein Barrel Öl herauszuholen? Nein, natürlich nicht. Wir können auch nicht beliebig tiefe Bergwerke bauen, das ist eine Kostenfrage. Ist zum Beispiel alles mit vernünftigem Aufwand abbaubare Lithium (für Lithiumionenakkus) abgebaut, kann es nur noch durch Recycling gewonnen werden. Alle Elemente unserer Erde wurden einmal in kosmischem Maßstab in Sonnenreaktoren hergestellt, dann durch Supernovae-Explosionen in das Weltall verteilt, um schlussendlich bei der Bildung der Erde zusammengebacken und uns zur Verfügung gestellt zu werden. Wir sollten sorgsam mit diesen wertvollen Geschenken umgehen.
    Waren früher Telefone noch mit einer bescheidenen Anzahl an Materialien wie hauptsächlich Plastik für das Gehäuse und Kupfer für die Elektrik herzustellen, gilt dies für die Smartphones von heute längst nicht mehr. Materialien, die das halbe Periodensystem der Elemente umfassen, sind verbaut, zum Beispiel Kupfer, Aluminium, Gold, Kobalt, Niob und aus der Gruppe der Seltenen Erden Praseodym, Europium, Gadolinium, Lanthan und viele andere, zumindest in Spuren. Und die Polymerchemie ist gefragt, wenn es um das Gehäuse geht, mit all seinen wunderbaren Eigenschaften wie Leichtigkeit und Bruchfestigkeit, Abriebfestigkeit und Hochglanzfinish.
    Das Problem ist nicht nur die begrenzte Ausbeutbarkeit der Vorräte dieser seltenen Elemente und Mineralien, aus denen sie gewonnen werden, sondern auch die ungleiche Verteilung auf der Erde. Brasilien, Kanada, Nigeria und vor allem China (bei denseltenen Metallen Fluorit, Vanadium, Wolfram oder Indium) sind heute beinahe zu Monopolisten geworden. Und sie setzen die damit verbundene Macht auch ein, um diese Rohstoffe zu verknappen und die Preise zu diktieren. Selbst wenn diese Materialien in anderen Ländern vorhanden sind, hat es China geschafft, durch Ausbeutungsstrategien und Preisgestaltung zum De-facto-Monopolisten zu werden. Statt mehr oder weniger billige Rohstoffe zu liefern, bleiben die Materialien mehr und mehr im Land des Lächelns und werden dort zu Endprodukten veredelt, sodass die Wertschöpfung an Ort und Stelle geschieht.
    Zu den Öl- und Gaskartellen, die seit fünfzig Jahren bekannt sind, kommen neue Rohstoffkartelle hinzu, Verteilungskämpfe sind nicht auszuschließen. Rohstoffe werden dadurch zu strategischen Mitteln. Wenn beispielsweise dem batteriebetriebenen Elektromobil die Zukunft gehören sollte, ist damit ein massives politisches Rohstoffproblem verbunden. Nicht nur aus diesem Grund halte ich die wasserstoff- oder methangetriebene Brennstoffzelle, die die neuen Elektromotoren mit Strom versorgt, für die aussichtsreichere Lösung in diesem Spannungsfeld.
    Deutschland hat jüngst mit der Gründung einer Rohstoffagentur (DERA) im Rahmen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe reagiert. Diese nimmt hauptsächlich nur einen Beobachterposten ein, versucht aber auch, die allgemeine Situation über politische Einflussnahme und strategische Wirtschaftspolitik zu entspannen, die ausufernden erdweiten Warenströme in den Griff zu bekommen, einen Ausgleich zwischen Rohstofflieferanten sowie großen international agierenden Bergbaufirmen, den Produzenten sowie den Verbrauchern zu erreichen – eine riesige erdpolitische Herausforderung.
    Lernen wir aus den Fehlern der Geschichte! Denn wirklich neu ist nur die Dimension der Warenströme, nicht das Phänomen an sich. Schon in der Antike waren es das Salz, der Pfeffer, Tee oder seltene Farbpigmente, die knapp waren und um den Globus transportiert wurden. Und neu ist auch nicht, dass Rohstoffhunger zu einem der Motive für kriegerische Auseinandersetzungen wurde: Das war zu Beginn der Industrialisierung Anfang des letzten Jahrhunderts auch schon der Fall.

Recycling für alle(s)
    Ich plädiere für eine Reparatur, solange es im jeweiligen Kontext sinnvoll
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