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Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Titel: Die Kultur der Reparatur (German Edition)
Autoren: Wolfgang M. Heckl
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Dach obsolet. Digitale terrestrische Kanäle, Kabel- oder Satellitenfernsehen wurden der neue Standard. Natürlich hat dies jede Menge Verbesserungen gebracht, schon hinsichtlich der Übertragungsqualität, aber die Sammler alter Fernsehapparate sind nun außen vor, wollen sie diese betriebsbereit halten. Und die Abschaltung des analogen Rundfunks, immer wieder angekündigt, steht uns noch bevor. Dann könnten mit einem Schlag Millionen von Geräten nutzlos werden, die in den Wohnungen der Menschen stehen. Und all die schönen alten Geräte, die ein Radiosammler wie ich nicht nur für UKW-Funk nutzt, sondern mit denen er gelegentlich auch auf Mittel-, Lang- oder Kurzwelle ausgestrahlte Sendungen empfängt. Außer man behilft sich mit kleinen Sendern, die die digitalen Signale in analoge umwandeln und dann im Privatbereich mit nur sehr kleiner Reichweite aussenden. Erste Modelle sind schon auf dem Markt, vielleicht ein neues Geschäftsfeld für die Nostalgiker der Zukunft, ähnlich dem wiedererstarkten Interesse an der analogen Vinylschallplatte.
    Vielleicht sollten auch dieMedien öfter mal über den Charme und die Vorteile älterer Modelle berichten, nicht nur über die neuesten. Wenn man, wie gesagt, beobachtet, dass die Vinylplattenherstellung wieder im Kommen, also das alte Speichermedium für Musik noch längst nicht tot ist, dann weist das in eine erstaunliche Richtung. Sicher, die Gründe mögen hier etwas anders gelagert sein. Klangpuristen schwören auf die Qualität der „Tonrille“ und empfinden die CD als synthetisch, oder sie lehnen die Beschneidung des Tonfrequenzumfangs ihrer Lieblingsmusik in Kompressionsverfahren wie MP3 gänzlich ab.
    Mir geht es da ähnlich, genieße ich doch das „warme“ Tonspektrum, das die Verstärker meiner Röhrenradios oder auch meine Musikboxen liefern. Deshalb bin ich ja auch ein Sammler und Reparierer, ein Erhalter von diesen Geräten – einer von so vielen Gleichgesinnten, die sich auf Fünfziger-Jahre-Märkten wie der One-More-Time-Messe für Jukeboxen treffen. Auch genieße ich das rote Licht der Röhrenheizung im abendlichen Halbdunkel, wenn ich ein Röhrenradio einschalte und ein wenig hinter das Gehäuse blicke. Und ich erfreue mich am Geruch des leicht erwärmten Staubes auf den Glasröhren. Er erinnert mich an früher, als wir Kinder vor dem Schlafen abends um 19 Uhr das Betthupferl für Kinder hören durften. Wie schön, dasses das Betthupferl noch gibt im Bayerischen Rundfunk. Daher ist es für mich viel schöner, Musik aus einem alten Radio zu hören, selbst dann, wenn nur Kurzwelle oder Mittelwelle und noch kein klangtechnisch brillanteres UKW zur Verfügung steht, geschweige denn digitale Signale verarbeitet werden. Allein die Faszination des sogenannten magischen Auges, jenes meist grün leuchtenden und nach außen sichtbaren Senderabstimmungshilfsmittels, mutet wie ein uralter Zauber an, der mich als Kind fasziniert und geprägt hat. Jeder, der ähnliche Erlebnisse kennt, kann das nachvollziehen.
    Mit solchen nostalgischen Einlassungen geht es mir nicht darum, die modernen technischen Möglichkeiten zur Verbesserung unserer Lebensbedingungen aufhalten zu wollen. Im Gegenteil, die technische Entwicklungsgeschichte der Menschheit hat uns mit den daraus resultierenden gesellschaftlichen Entwicklungen den Wohlstand gebracht, in dem wir heute leben. Wir, aber eben nicht alle Menschen auf dieser Erde. Daher stehen wir nicht am Ende einer ausentwickelten Gesellschaft, in der Technik bereits eine entscheidende Rolle spielt, sondern, wenn wir es richtig machen, wenn ein Traum wahr werden könnte, am Beginn einer Entwicklung, die zu einer nachhaltigen Lebensweise überall auf dieser Erde führen wird.

Reparieren lohnt sich
    In der vorindustriellen Zeit waren Herstellung und Reparatur eine selbstverständliche Einheit, weil damals Ressourcenknappheit im Grunde der Normalzustand war und der Wert eines hergestellten Gegenstands sich auch über dessen Langlebigkeit definierte: So konnten etwa beim Bergbau nicht genügend Erze abgebaut werden, die nicht maschinenunterstützten händischen Abbaumethoden waren ineffizient, was die Rohstoffausbeute anbelangte. Verhüttungstechniken waren ebenso primitiv, die Ausbeute gering. Eisenerz war deswegen so wertvoll, und jedes abgebrochene Eisenschwert wurde aus diesem Grund wieder repariert. Schlachtfelder wurden nach Wiederverwertbarem abgesucht. Es gab keine Dampfmaschinen, keine Presslufthämmer in den Bergwerken, kein
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