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Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Titel: Die Kultur der Reparatur (German Edition)
Autoren: Wolfgang M. Heckl
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Industrie richtet, deren Strategien darauf zielen, uns alle zu bequemen Konsumenten zu erziehen.
    Die Kultur der Reparatur ist alt, doch durch die niederländische Repair-Bewegung ist das Reparieren zu einer kulturkritischen Haltung geworden: zu einem aktiven Protest, auch gegen wachsende Müllberge – deren Ausmaße gerade in der Dritten Welt zunehmen, in die der Westen seinen Elektroschrott verschifft. Und zu einem Aufruf, sich über die Entwicklung neuer Technologien im Bereich Recycling Gedanken zu machen.
    Die Zeit für diese Bewegung ist reif. Nach knapp vier Jahren existieren in den Niederlanden rund fünfzig Repair Cafés, über das Internet hat sich die Idee in andere Länder verbreitet, nach Belgien, Frankreich, auch in die Vereinigten Staaten – und nach Deutschland. In Köln entstand das erste Reparatur-Café, Hamburg, Düsseldorf, München und viele andere Städte folgten.
    Auch hierzulande dreht sich in den öffentlichen Bastelstuben aber nicht alles nur ums Drehen, Schrauben, Löten, nicht nur darum, wie man handwerkliche Hilfsmittel bei Dingen einsetzt, die den Geist aufgegeben haben. Es werden ebenso Handarbeitstechniken gelehrt, die meisten wissen nämlich nicht mehr, wie man häkelt oder eine Nähmaschine bedient. Die Schulen haben den Handarbeits- und Werkunterricht schon vor Jahren abgeschafft. Und die Eltern haben zu Hause auch keine Werkstatt mehr im Keller, eine Nähmaschine steht meist nur noch bei den Großeltern herum, oft genug auf dem Dachboden.
    Zudem konkurrieren heute Technik-Nerds mit Handarbeitsfreaks. Das Reparieren wird immer weiter gefasst, als Herstellen von Dingen mit eigenen Händen – das Spektrum der „Marke Eigenbau“ ist breit. Der Anspruch ist nicht nur aufs Tun beschränkt, die Café-Werkstätten bieten nicht nur Hilfe zur Selbsthilfe, sie sind Räume, in denen man versinken kann, die sich entschleunigt haben, die dem kreativen Denken und Machen den Vorzug geben. Und sie initiieren eine Form der Nachbarschaftshilfe, da sie in ihre Stadtviertel eingebunden sind, sie wecken Teamgeist und verbinden Generationen miteinander.
    Im HUJI gibt es keine Werkstattkurse extra für Kinder oder Mützen-Stricken und Siebdrucktechniken für junge oder ältere Frauen (höchstens für „verfrorene Einsteiger“). Es existieren keine strikten Trennungen undAltersbegrenzungen („5–12 Jahre“). Man hat Kontakt aufgenommen zu einem Seniorenheim aus dem Viertel, eine ältere Dame hat sich bereiterklärt, Malen zu unterrichten. Eine andere bietet bei Projekten wie „Marmelade einkochen“ oder „Seifen gießen“ ihre Unterstützung an.
    Nach dem Motto von HUJI: „Alle können alles und niemand kann nichts, aber alles kann man lernen“, wird das Programm stets ausgebaut. Die Stadtimker treffen sich regelmäßig in den Räumen von HUJI, da kam man auf die Idee, das Thema „Selbstversorgung“ mehr zu forcieren, mit Kressebeeten und einem Gemüseanbau auf dem Balkon (bei fehlenden Bienen ein Problem, wenn man nicht gerade die geschlechtslose Gurke favorisiert). Angedacht ist auch ein Tauschbord, in das jeder etwas mit eigenen Händen Gemachtes hineinstellen und stattdessen eine andere Sache an sich nehmen kann. Aber es wird auch ökonomisch gedacht: Kleine Serien von bedruckten Shirts, Taschen oder selbst gestrickten Mützen werden im Laden zum Kauf angeboten, jeder kann kommen und zeigen, ob seine Sachen ins Konzept passen.
    Im FabLab, ebenfalls in München angesiedelt, in Neuhausen, geht es ähnlich wie im HUIJ ums Selbermachen, um Wissensaustausch und Kreativität – nur wird dieser Ort als offene „Hightech-Werkstatt“ bezeichnet. Hier wird auf „Demokratisierung und Entmystifizierung neuester Technologien“ gesetzt, auf die Vernetzung unterschiedlicher Fachbereiche. Im FabLab treffen sich Informatiker, Maschinenbauer, Techniker, Künstler, Designer, Handwerker und Pädagogen – die Experten verstehen sich als Ideengeber, insbesondere für die Weiterbildung von Schülern und Jugendlichen. Grundsätzlich ist aber jeder willkommen, der an Hightech-Maschinen wie Lasercuttern, CNC-Fräsmaschinen oder 3D-Druckern interessiert ist; der technische Prototypen herstellen will, um wieder mehr Verständnis für die Welt der Technik zu bekommen, ihr nichthilflos ausgeliefert zu sein.
    Attraktor, der Makerspace in der City-Nord von Hamburg schließlich, ist ein Treffpunkt für die echten Daniel Düsentriebs, die Tüftler innerhalb der Repair-Bewegung, denen bei Arbeiten mit Holz,
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