Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Titel: Die Kultur der Reparatur (German Edition)
Autoren: Wolfgang M. Heckl
Vom Netzwerk:
unabhängige Unternehmen vor Ort, setzen ein Signal, und das lautet: Engagiert man sich in der unmittelbaren Umgebung, die man beinflussen kann, für die Umwelt, für Arbeitsplätze, für das Gemeinwesen, so kann das Lokale, von mir aus auch das Provinzielle, Einfluss auf das große Ganze haben. Zum Beispiel haben sich in den vergangenen Jahren immer mehr kleinere Brauereien etabliert – sie brauen ihr eigenes und besonders geschmackvolles Bier, unabhängig von den großen Konzernen. Sie nennen sich „Mikrobrauereien“, nach dem amerikanischen Vorbild der Microbreweries. Sie wollen gegen die Konzentration gerade im Nahrungsmittelbereich vorgehen und Vielfalt durch Wettbewerb gewährleisten.
    In der Lebensmittelproduktion, zumal der kleinbäuerlichen, wo immer mehr Hofläden entstehen, kommt das gut zum Ausdruck. Lokale Produktion und lokaler Konsum sparen Transportkosten und -wege, können viel besser im Hinblick auf eine gesunde Kreislaufwirtschaft überblickt werden und stärken die heimische Tradition.
    Natürlich gilt das nicht für alle Güter, Bananen wachsen nun mal nicht bei uns, und auch für Hightech-Produkte ist es manchmal vernünftig, sie dort zu produzieren, wo sie gebraucht werden.
    Hinter dem Erfolg der kleinen Bauernhofläden (die meist mit dem Label „Bio“ werben, aber darum soll es hier jetzt ausnahmsweise nicht gehen) verbirgt sich der Wunsch, sein Fleisch, Gemüse oder Obst nicht mehr nur billig bei Supermarktketten zu kaufen, sondern bei einem Hersteller, den man kennt. Da weiß man, oder glaubt man zu wissen, unter welchen Bedingungen und Kontrollen produziert wurde. Lebensmittelskandale, wie wir sie in der Vergangenheit erlebt haben, sind auf diese Weise leichter auszuschließen, zumindest einzugrenzen. Dass es solche Probleme bei lokalem Handel nicht gibt, dafür sorgt schon die viel kleinere umgesetzte Warenmenge, aber viel mehr noch das Vertrauensverhältnis, das sich zwischen Produzenten und Konsumenten entwickelt.
    Karl Ludwig Schweisfurth, einst Herta-Unternehmer, dann Pionier bei der ökologischen Lebensmittelherstellung, -verarbeitung und -vermarktung, zeigte mir einmal seine Hermannsdorfer Landwerkstätten in der Nähe von Glonn, östlich von München. Die Schweine, die zu dem Landgut Hermannsdorf gehören, liefen frei herum, im Winter wie im Sommer, sie entschieden selbst, ob sie eine Behausung brauchten oder nicht. Dazu kam, dass sich auf den grünen Wiesen nicht nur Schweine suhlten, sondern auch andere Tiere wie Schafe gehalten wurden. Das ist eine neue Art extensiver Tierhaltung, die das Fleisch zwar teurer macht, aber auch wertvoller.
    Lokale Produzenten, die sich selbst versorgen, sind überall unter uns. Manchmal begegnen wir bei Familienausflügen im bayerischen Oberland einem Ruheständler, der in seiner aktiven Zeit Bauer gewesen war, mehr wusste ich anfänglich nicht von ihm. Das wollte ich ändern, als ich seiner Einladung nachkam, ihn einmal spontan auf seinem kleinen Berghof zu besuchen. Als wenn er mich erwartet hätte, stand er auf dem Weg; da der Dezember frühlingshaft mild war, schien er die wärmende Sonne zu genießen.
    „Schöner Blick von hier oben, nicht wahr?“, begrüßte ich ihn.
    Der ehemalige Bauer nickte. „Aber glauben Sie nicht, dass ich hier nur herumschaue.“
    „Das habe ich auch nicht angenommen.“
    „Ich mache hier noch alles selber“, erklärte er mir stolz. „Um sechs in der Früh habe ich meine sieben Geißen noch weiter hoch getrieben. Dort werden die zweimal am Tag gemolken. Danach hole ich mir immer einen Radi aus dem Keller. Meine Frau und ich bauen nämlich alles, was wir essen, im eigenen Garten an. Da weiß man wenigstens, woher es kommt. Wir sind Selbstversorger.“
    Da war sie wieder, die Autonomie. Ob auf dem Land oder auf urbanen Dachterrassenin Berlin oder Frankfurt mit Radieschen und Tomaten, oder öffentlichen Plätzen in Stadtvierteln, auf denen Auberginen angebaut werden: All diese Ansätze sind nichts anderes, als eine Fortsetzung dieser uralten Tradition der Selbstversorgung, nur stärker unter einem gemeinschaftlichenAspekt gedacht – wenn man die außen vor lässt, die den Kräuteranbau auf dem Balkon einfach nur schick finden und dazu im Liegestuhl eine der neuen Zeitschriften lesen, die sich sehr gut verkaufen und die Strömungen des Selberanbauens, des Selbermachens und des Selberreparierens, auch oft im Kontext des Landlebens, ästhetisch darstellen und beschreiben.
    Die Kleingärtner wurden früher
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher