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Die Kraft der Stille. Neue Lehren des Don Juan

Die Kraft der Stille. Neue Lehren des Don Juan

Titel: Die Kraft der Stille. Neue Lehren des Don Juan
Autoren: Carlos Castaneda
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Bewußtseins.«
    Don Juan ließ mich die Bewußtseinsebene wechseln, indem er mir einen leichten Schlag gegen den linken Rippenbogen versetzte. Sofort verlor ich meine ungewöhnliche Geistesklarheit und konnte mich an nichts mehr erinnern ...
    Don Juan war es, der mir die Aufgabe stellte, über die Grundlagen der Zauberei zu schreiben. Einmal, zu Anfang meiner Lehrzeit, sagte er beiläufig, ich solle ein Buch schreiben, um die vielen Notizen auszuwerten, die ich mir stets bei unseren Gesprächen machte. Ich hatte Berge solcher Notizen zusammengetragen und mir nie überlegt, was ich mit ihnen anfangen sollte.
    Ich fand Don Juans Vorschlag absurd, weil ich - wie ich sagte - nun einmal kein Schriftsteller sei.
    »Natürlich bist du kein Schriftsteller«, antwortete er. »Darum wirst du die Zauberei zu Hilfe nehmen. Du mußt dir zuerst deine Erfahrungen mit der Zauberei vergegenwärtigen, als ob du sie unmittelbar wiedererlebtest. Dann mußt du deinen Text beim Träumen sehen. Das Bücherschreiben soll für dich keine literarische Übung sein, sondern eine Übung der Zauberei.«
    Und so habe ich über die Prämissen der Zauberei geschrieben, wie Don Juan sie mir erklärte - nämlich im Zusammenhang seiner Lehren.
    In seinem, von Zauberern früherer Zeiten entwickelten Lehrsystem gab es zwei Kategorien der Unterweisung. Die eine nannte man »Lehren für die rechte Seite«, und diese erfolgten in einem normalen Bewußtseinszustand. Die andere nannte man »Lehren für die linke Seite«, und diese erfolgten ausschließlich im Zustand gesteigerter Bewußtheit.
    Mit Hilfe dieser beiden Kategorien führten die Zauberer ihre Lehrlinge zur Meisterschaft in drei Formen der Kunst. Diese waren: die Beherrschung des Bewußtseins; die Kunst des Pirschens; und die Beherrschung der Absicht.
    Diese drei Formen der Meisterschaft sind zugleich drei Rätsel, auf die der Zauberer auf seiner Suche nach Wissen stößt. Die Beherrschung des Bewußtseins ist das Rätsel des Geistes; nämlich die Verwirrung, in die der Zauberer gerät, sobald er das erstaunliche Mysterium und die Reichweite unserer Wahrnehmung und unseres Bewußtseins erkennt.
    Die Kunst des Pirschens ist das Rätsel des Herzens; nämlich die Verblüffung, die der Zauberer empfindet, sobald er zwei Tatsachen erkennt: Erstens, daß die Welt, bedingt durch die besondere Art unserer Wahrnehmung und unseres Bewußtseins, uns unvermeidlich als objektiv und faktisch erscheint; und zweitens, daß gerade die Dinge der Welt, die uns so unvermeidlich als objektiv und faktisch erscheinen, sich zu verändern beginnen, sobald andere Besonderheiten unserer Wahrnehmung ins Spiel kommen.
    Die Beherrschung der Absicht ist das Rätsel des Geistes; nämlich das Paradoxon des Abstrakten, oder die Gedanken und Taten der Zauberer - hinausprojiziert in eine Sphäre jenseits unserer menschlichen Situation.
    Don Juans Lehren über die Kunst des Pirschens und über die Beherrschung der Absicht fußten auf seinen Lehren über die Beherrschung des Bewußtseins. Letztere waren der Eckstein seines Lehrsystems und umfaßten folgende Prämissen:
    1. Das Universum ist eine unendliche Ansammlung von Energiefeldern, die dünnen Lichtfasern gleichen.
    2. Diese Energiefelder, genannt die Emanationen des Adlers, strahlen aus einer Quelle von unvorstellbarer Erhabenheit, symbolisch der Adler genannt.
    3. Auch die Menschen bestehen aus einer unendlichen Zahl von faserförmigen Energiefeldern. Diese Emanationen des Adlers bilden ein abgeschlossenes Agglomerat, das sich als Lichtkugel von der jeweiligen Körpergröße einer Person darbietet: wie ein großes leuchtendes Ei, mit seitwärts gestreckten Armen.
    4. Nur ein sehr kleines Spektrum von Energiefeldern im Innern dieser leuchtenden Kugel wird erhellt, und zwar von einem intensiv leuchtenden Punkt, der sich an der Oberfläche der Kugel befindet.
    5. Wahrnehmung findet statt, sobald die Energiefelder dieses kleinen, unmittelbar an den leuchtenden Punkt angrenzenden Spektrums ihr Licht aussenden, um identische Energiefelder außerhalb der Kugel zu erhellen. Weil nur jene Energiefelder wahrnehmbar sind, die durch den leuchtenden Punkt erhellt werden, bezeichnet man diesen Punkt als »Punkt, wo die Wahrnehmung montiert wird«, oder kurz als »Montagepunkt«.
    6. Der Montagepunkt kann aus seiner gewohnten Position an der Oberfläche der leuchtenden Kugel in eine andere Position an der Oberfläche oder im Innern der Kugel verschoben werden. Weil das Leuchten des
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