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Die Konkubine des Erzbischofs

Die Konkubine des Erzbischofs

Titel: Die Konkubine des Erzbischofs
Autoren: Stefan Blankertz
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auf eine Disputation über Sittlichkeit versessen?« El Arab beugte sich vor und brachte seinen Kopf nahe an Magdalenas. »Ich bin weit mehr danach begierig, mich von Euch in Eurer Heilkunst unterrichten zu lassen.«
    Nun war es an Magdalena, sich zurückzuziehen und förmlich zu werden: »Ihr sagtet, Ihr wäret selbst Arzt, beansprucht demnach einen viel höheren Titel für Euch.«
    »Ich bin ganz entfernt davon, mich der unmäßigen Überheblichkeit einiger meiner Brüder anzuschließen und mich über die Heilkunst zu erheben, die Ihr pflegt. Dazu kenne ich zu gut die engen Grenzen, die uns unser allzu spärliches Wissen über die Wechselwirkung der Säfte im Körper setzt. Warum wollt Ihr Euer Wissen nicht mit mir teilen und weist meine Hochschätzung zurück?« Fast wollte ich in seiner Frage eine Spur von Grobheit heraushören.
    »Ich fürchte, überheblich zu werden.« Züchtig schlug meine Herrin ihre Augen nieder.
    »Dann beginnen wir mit den Grenzen Eures Handwerks.« El Arab wusste nun, wie er in ihre Festung eindringen konnte. »Wo liegen sie? Warum seid Ihr neugierig, mehr von Avicenna zu erfahren?«
    »Ich habe gute Erfolge bei allen Arten von Schmerzen«, zählte meine hohe Herrin wie eine folgsame Schülerin auf. »Bei Aussatz dagegen habe ich keine Erfolge. Wir sehen Aussatz als Gottesurteil an.«
    »Aber warum sollte Gott uns die Wissenschaft der ärztlichen Kunst gegeben haben, wenn er nicht wollte, dass wir sie zu unserem Nutzen anwenden?« El Arab war der Lehrvater …
    »Ist denn nicht gar alles, was geschieht, Gottes Wille? Und ist es dann nicht gerecht? Wenn Gott will, dass einer lebt, lebt er. Wenn es ihm aber gefällt, dass er stirbt, stirbt er. Dürfen wir in diese Gerechtigkeit eingreifen?« … und sie seine folgsame Schülerin.
    »Denkt an den seligen Hiob. Es steht geschrieben: Er war ein gottgefälliger Mann, rechtschaffen und untadelig. – Gleichwohl erkrankte er dann an Aussatz.«
    »Das wollte ich sagen.« Mir schien, sie habe den Faden der Unterhaltung verloren und gebrauchte eine Floskel, um es nicht zugeben zu müssen.
    »Es war doch nicht gerecht, dass der überaus fromme Hiob Aussatz bekam!«, neckte der Lehrvater weiter.
    »Herr Averom, wollt Ihr Euch anheischig machen, unseren Gott zu lästern oder die heilige Schrift zu bezweifeln?« War Magdalena empört? Oder spielte sie ein Spiel, das sie durchaus beherrschte?
    »Fern liegt es mir, Gott, unseren über alle Maßen gütigen Vater, zu lästern oder seine Schrift anzuzweifeln. Zumal das Buch Hiob, wie Ihr wissen solltet, sogar von den Jüngern Mohammeds anerkannt wird. Wir müssen uns nur recht bemühen, den in der Schrift ausgeführten Willen des höchsten Wesens, das wir bekennen, auch angemessen zu verstehen.«
    »Und wie, wenn es gefällt?« So kannte ich meine Herrin, nämlich dass sie die Führung übernahm.
    »Weil es gefällt und wahr ist, sagt uns der heilige Hiob dieses: Seine Erkrankung geschieht in der Tat durch die Zulassung Gottes. Aber Gott greift nicht in das Leben der Menschen ein – nicht, weil er es nicht könnte, sondern weil er es nicht will. Die Heuchler, Hiobs Freunde, meinen, sein Unglück sei Gottes Strafe. Hiob aber ist sich keiner Schuld bewusst, weil er ja auch keine Schuld auf sich geladen hat. Er klagt sein Schicksal an, ohne dabei Gott zu lästern. Das gefällt Gott. So lautet der Auftrag an uns Ärzte: die Krankheiten zu heilen, wozu Gott uns die Kraft gibt. Das gefällt Gott.« El Arab war in Erregung geraten und sprach, als stünde er vor einer größeren Menschenmenge.
    »Jetzt haben wir doch die Disputation, wo ich gerade bereit war, mich Euch zu öffnen.« Da ich sah, dass sie fröstelte, legte ich meiner hohen Herrin eine kostbare blaue Decke um die Schultern. »Die Heilerin Hildegard hat mich auf das Verfahren gebracht, das ich bei Heilungen anwende.«
    »Die Hildegard?« El Arab rümpfte die Nase missbilligend und gab einen fremdländisch klingenden Schnalzlaut von sich. »Ich neige mehr der Vernunftlehre zu, wie sie von den Dominikanern gepflegt wird, Eurem Magister Albertus zum Beispiel.«
    »Da Gott Vernunft ist, wie könnte er dann nicht wirken?« Magdalena benutzte für die Wiedergabe der Heilerin Hildegard von Bingen ihre hohe Singstimme.
    »Schön formuliert, wer wollte ihr da widersprechen?« El Arab tat sich etwas von dem köstlichen Fenchelhonig in den warmen Wein und schlürfte ihn mit vernehmbarem Genusse. Dann fuhr er fort und fragte: »Nun sagt, wie sie Euch auf Eure
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