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Die Konkubine des Erzbischofs

Die Konkubine des Erzbischofs

Titel: Die Konkubine des Erzbischofs
Autoren: Stefan Blankertz
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Heilmethode gebracht hat.«
    »Bei der Bingenerin las ich über die Melancholiker.« Die hohe Herrin lehnte sich im Stuhle zurück und schloss die Augen, um sich auf das Zitat zu konzentrieren. Es gibt Menschen, die in ihrem Sinne traurig, furchtsam und unbeständig sind, weil in ihnen keine rechte Gesundheit und kein Halt ist. Sie meint, man könne die große Traurigkeit heilen, indem man die Gesundheit des Melancholikers wiederherstellt. Darum schloss ich: Wenn durch körperliche Mittel ein seelisches Leiden geheilt werden kann, müsste doch auch ein körperliches Leiden, für das es kein Mittel zu geben scheint, durch Linderung der seelischen Qualen zu kurieren sein.«
    El Arabs Antwort schien auch ein Zitat zu sein, aber er konzentrierte sich nicht darauf, sondern tastete mit seinen Augen meine hohe Herrin ab. So versunken betrachtete er ihr liebreizendes Gesicht, glitt hinunter über den Hals bis dorthin, wo unter der Decke sich ihre vollen weiblichen Formen abzeichneten, dass es fast einer körperlichen Berührung gleichkam. »Die Trauer ist ihrem Wesen nach dem natürlichen Streben des Körpers nach Wohlbefinden entgegengesetzt. Da Schlafen oder Baden Wohlbefinden auslöst, mildert das die Trauer. Jede Befriedigung mildert die Trauer. Also lässt sich durch körperliche Heilmittel wie Schlafen oder Baden die Trauer bekämpfen.«
    Er erwachte aus seiner Versunkenheit und fragte ganz unschuldig als wissenshungriger Forscher: »Wie kann man diesen Vorgang gleichsam umgekehrt denken?«
    »Wenn nach der Lehre des Aristoteles und in Übereinstimmung mit den christlichen Autoritäten die Seele die Form des Körpers ist, ist die Krankheit des Körpers nichts als ein Ausdruck einer Seele, die sich in schlechter, gleichsam verbogener Form befindet. Gebe ich der Seele ihren Einklang wieder, muss der krankhafte Misston aus dem Körper verschwinden.«
    Meine Herrin richtete sich in ihrem Stuhle hoch auf, als sie dies sagte, wobei ihr die wärmende Decke von der Schulter glitt, und sie ließ ihre Hände an beiden Seiten ihres Körpers von oben nach unten zu ihren wundervoll ausgeformten Hüften gleiten. Kalt war ihr wohl nicht mehr. »Bleibt die Seele verbogen, wird sie sich, auch wenn ich den einen körperlichen Ausdruck heile, einen anderen körperlichen Ausdruck ihrer Verbogenheit suchen.«
    »Dies scheint mir von so bestechender Logik, dass mir kein Einwand einfällt. Wie gehst du nun vor, wenn du zur Heilung schreitest?« El Arab hatte nach einigen Kelchen süßen Weins die Anrede gewechselt, und trotz seiner dunklen Haut konnte ich ihn glühen sehen.
    »Die ursprüngliche Seele, mit der Gottes Gnade alle Menschen bei der Geburt ausstattet, macht im Körper jeweils besondere, einzigartige Erfahrungen, so dass am Ende keine Seele einer anderen mehr gleicht. Niemand kann also sagen, wann die Seele eines anderen verbogen oder krank ist. Jeder kann dies nur für sich selbst sagen.« Die hohe Herrin fiel zurück in ihren Stuhl und legte die gefalteten Hände in den Schoß.
    »Dieser Schluss ist klar.« El Arab war ungeduldig. »Es scheint mir jedoch daraus zu folgen, dass dann keine Heilung möglich ist: Die Seele des einen ist verbogen, der Heiler kann es jedoch nicht sehen und weiß nicht, wie er sie gleichsam geradebiegen soll.«
    »Genau.« Magdalena war nun völlig die Heilerin und ließ sich nicht ablenken. »Darum muss ich den Kranken dazu bringen, in sich hineinzusehen. Er schaut seine eigene Verbogenheit. Sie nenne ich seinen Dämon . Das aber ist das Wunder, das nicht ich, sondern der gütige Vater wirkt: Wer seinen Dämon gewahrt, dem flieht der Dämon aus dem Kopfe. Ich schließe daraus, dass die Dämonen besondere Angst vor ihrer Entdeckung haben.«
    »Wie Ragnar, der Dämon des Königs«, warf El Arab gespielt leichthin ein.
    »Das weißt du? Der Erzbischof wird, was immer sonst seine Fehler sein mögen, nicht das Beichtgeheimnis verletzen, so weit ist er doch auf sein Seelenheil bedacht!« Meine Herrin war ehrlich und wahrhaftig aufgebracht.
    »Nicht der Erzbischof ist Urheber des Geredes, meine Liebe, der König selbst erzählt es.« El Arab war belustigt. »Die ganze Stadt kennt Ragnar. Die kleinen Kinder spielen deine wundersame Heilung auf der Straße nach. Einer muss Ragnar sein. Und der wird durch die Gassen gejagt.«
    »Gütiger Himmel, das habe ich nicht gewusst.«
    »Du bist nun berühmt. Damit wirst du leben können.«
    »Mein Geheimnis habe ich dir also verraten«, beschloss meine hohe Herrin
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