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Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker

Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker

Titel: Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker
Autoren: Susanne U. Wiemer
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I.
    Zum erstenmal die Sonne...
    Frei auf einem wandernden Stern im unendlichen Raum.
    Über den roten Wüsten des Mars brannte der Himmel. Licht flutete in die Stadt Kadnos mit ihrem Meer weißer, schimmernder Häuser. Charru von Mornag starrte in den glühenden Sonnenball, bis er geblendet die schmerzenden Augen schließen mußte.
    Hinter ihm auf der Freitreppe der Universität drängten sich stumm die Menschen, die genau wie er zum erstenmal die Sonne sahen.
    Die letzten Terraner. Fremde in Kadnos. Sklaven, die ihre Ketten gebrochen und ihr Gefängnis zerstört hatten, die nicht länger Studienobjekte für die Wissenschaftler des Mars sein wollten, nicht länger Spielzeug in einer gespenstischen Spielzeugwelt. Still lag die große Stadt in der Morgensonne.
    Zwischen den weißen Türmen spannte sich das Netz gläserner Röhren, in denen unablässig leere Transportbänder rollten. Die Fahrzeuge, deren lautlos gleitendes Gewimmel Charru schon einmal gesehen hatte, standen verlassen. Kadnos hielt den Atem an, schien ausgestorben, doch der letzte Fürst von Mornag ahnte, daß tausend Augen aus Fenstern und Türen spähten.
    Für die Bürger des Mars war es, als habe sich mitten in ihrem jahrhundertealten Frieden plötzlich das Tor der Hölle geöffnet.
    Vor dem ehrwürdigen Museumsbau, auf den Stufen, die sonst nur von Wissenschaftlern und Studenten in der traditionellen mattroten Tracht der Universität beschritten wurden, drängte sich ein wilder Barbarenstamm. Flüchtlinge, die man für immer gefangen geglaubt hatte. Studienobjekte, Erdenmenschen - gefährlicher als wilde Tiere, die es auf dem Mars schon lange nicht mehr gab. Halbnackte bronzehäutige Krieger spannten ihre Fäuste um die Schwertgriffe, kampfbereit im Angesicht einer fremden, bedrohlichen Welt. Frauen trugen Kinder auf den Armen oder führten selbst Schwerter. Greise starrten geblendet in die Sonne, Jünglinge, Sklaven in Ketten, Priester in wallenden Roben. Eine hohe, schwankende Gestalt blickte mit irren Augen um sich, das Gesicht unter dem kahlen Schädel verzerrt und eingefallen wie ein bleicher Totenkopf.
    Bar Nergal, der Oberpriester.
    Der Schamane, dessen Welt nicht mehr existierte und dessen trügerische Götter unter Charru von Mornags Schwert gefallen waren.
    Bar Nergal sah die Sonne nicht. Auch in seinen Adern floß das Blut der letzten Terraner, aber er war so fremd unter ihnen wie jener andere, der als einziger nicht dazugehörte. Conal Nords graue Tunika war blutbefleckt, das lange, helle Haar fiel wirr in die hohe Stirn. Um den Hals trug er die Amtskette, die ihn als Gouverneur der Venus und Generalbevollmächtigten der Vereinigten Planeten auswies. Er war groß, schlank und breitschultrig, aber er wirkte blaß und kraftlos gegen den Mann an seiner Seite, dessen sehniger, von Wunden und blutigen Striemen gezeichneter Körper federndem Stahl glich.
    Charru von Mornag warf mit einem Ruck das schwarze Haar zurück.
    In seinem schmalen bronzenen Gesicht blitzten die Augen mit dem durchdringenden Blau von Saphiren. Seine Hand lag am Schwertgriff, die Lippen preßten sich zu einem Strich zusammen. Gestern noch war dieses Gesicht glatter und weicher gewesen; das Gesicht eines jungen Fürsten, der den Goldreif und den blauen Königsmantel der Tiefland-Stämme trug. Jetzt erschien die abgekämpfte, blutbesudelte Gestalt als Inbegriff des barbarischen Kriegers, und unerbittliche Härte zeichnete seine Züge.
    Er allein wußte aus eigener Erfahrung, was ihnen bevorstand.
    Er hatte die unheimlichen Strahlenwaffen der Marsianer kennen gelernt, das unsichtbare, betäubende Gas, gegen das man nicht kämpfen konnte, die Wunderwerke der Technik, die wie Zauberei anmuteten. Aber er hatte auch die Sterne gesehen, den unendlichen Raum, die Weite einer Welt, die er so lange Jahre hinter den Flammenwänden seines Gefängnisses gesucht hatte. Diese Welt war groß genug, um frei zu atmen, groß genug, um ihnen allen Platz zu bieten, und dafür lohnte es sich zu kämpfen.
    Charrus Blick wanderte zu dem schlanken, hellhaarigen Venusier, dem Faustpfand ihrer Freiheit.
    Er wurde nicht klug aus ihm. Conal Nord war ein seltsamer Mann: er zeigte keine Furcht, keinen Haß, er betrachtete sie nicht, wie man wilde Tiere anstarrt und doch gehörte er zu denen, die sie jagten.
    »Und nun?« fragte er gelassen. »Glaubst du immer noch nicht, daß es für euch alle besser wäre, euch zu ergeben?«
    »Um wieder euer Spielzeug zu sein?« Charrus blaue Augen bohrten sich in
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