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Die Knochenleserin

Die Knochenleserin

Titel: Die Knochenleserin
Autoren: Iris Johansen
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rief Eve drei Stunden später an.
    Sie fasste sich ein Herz und meldete sich: »Gute Nachrichten?«
    »Bonnie ist nicht hier auf der Lichtung begraben«, sagte er ohne Umschweife. »Er hat alle Leichen mit Namensschildchen versehen, wie er es dir gesagt hatte. Zu jedem Erinnerungsstück in dieser verdammten Trophäenkiste haben wir eine passende Leiche gefunden. Es wird eine Weile dauern, bis wir die gesamte Insel abgesucht haben, aber Bonnie ist in keinem dieser Gräber hier.«
    Sie war total enttäuscht. »Nein.«
    »Wie gesagt, er könnte sie vielleicht woanders auf der Insel begraben haben.« Er räusperte sich. »Oder er hat sie überhaupt nicht hier begraben. In dieser Trophäenkiste gab es kein Erinnerungsstück von Bonnie. Wir gehen davon aus, dass diese Kiste nur mit der Insel zu tun hat. Wir müssen weitersuchen, um festzustellen, ob er noch mehr von diesen Trophäenkisten hatte.«
    »Vielleicht hat er sie ja auch gar nicht getötet«, flüsterte sie. »Aber ich war mir diesmal so sicher.«
    »Ich auch.« Er atmete hörbar ein. »Gott, ich weiß nicht, ob ich hier weitermachen kann –« Er unterbrach sich. »Aber vielleicht haben wir noch gar nicht alles gefunden, was Kistle hier hinterlassen hat. Ich gebe noch nicht auf. Fahr du nach Hause. Ich werde nach Atlanta aufs Revier fahren, um meinen Bericht abzuliefern. Wir gehen davon aus, dass die meisten Opfer aus Atlanta stammen; die Leichen werden zu unserem Gerichtsmediziner geschickt, damit er sie mit Hilfe von DNA-Tests identifizieren kann. Wir werden erst wissen, welche Fälle wir abschließen können, wenn feststeht, wann diese Kinder hier begraben wurden.«
    »Ihr braucht doch nur die Namen bekanntzugeben, die Kistle auf die Etiketten geschrieben hat; ich wette, ihr bekommt massenhaft Anrufe von Eltern, die ihre Kinder vermissen.« Eve schüttelte den Kopf. »Gott, was für ein Gedanke! Das wäre sicherlich die schlimmste Art für Eltern zu erfahren, dass ihr Kind ermordet worden ist. Bis zum letzten Moment hoffen sie doch, dass ihr Kind lebt und es ihm gut geht.«
    »Ich komme nach Hause, sobald ich fertig bin, und ich rufe dich an, falls ich irgendetwas in Erfahrung bringe. In Ordnung?«
    »Ja.« Sie riss sich zusammen. »Mach dir keine Sorgen um mich, Joe. Ich bin ja nicht das erste Mal enttäuscht worden. Tu, was du tun musst.«
    Er stieß einen Fluch aus. »Wie soll ich mir keine Sorgen machen? Wie lange wirst du das noch aushalten? Wie lange werde ich das noch aushalten? Das geht jetzt schon seit –« Er brach ab, doch sein Schweigen zeigte ihr, wie angespannt und verzweifelt er war. »Ich rufe dich an.« Er legte auf.
    Ja, wie lange konnte Joe das noch aushalten?, dachte sie erschöpft. Noch nie war ihr seine Verzweiflung so deutlich bewusst geworden. Sie würde immer weitermachen, weil sie nicht anders konnte. Bonnie war ihr Liebstes. Sie konnte genauso wenig aufhören sie zu suchen, wie sie aufhören konnte zu atmen.
    Aber für Joe war vielleicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Wer konnte es ihm schon verübeln? Er konnte ihre Liebe für Bonnie nicht mit ihr teilen, nur den Schmerz, der mit ihrem Tod verbunden war.
    Aber sie durfte jetzt nicht mehr daran denken. Sie würde zu ihrem Haus am See fahren und den Frieden und die Schönheit ihre besänftigende Wirkung entfalten lassen, wie sie es schon seit Jahren tat.
    Heilung und Nachdenken und Hoffnung.
    Ja, vor allen Dingen Hoffnung.
     
    Es war fast Mitternacht, als Eve zu Hause eintraf. Um Toby bei Patty abzuholen, war es schon zu spät, aber sie hätte sich gewünscht, ihn jetzt bei sich zu haben. Sie fühlte sich einsam und verunsichert und wünschte sich einen warmen Körper, an den sie sich schmiegen konnte.
    »Das mit Bonnie tut mir leid«, sagte Montalvo.
    Sie wandte sich der Verandaschaukel zu, auf der er saß. »Sie haben mich erschreckt.« Sie schaltete die Verandabeleuchtung ein. »Woher wissen Sie das mit Bonnie?«
    »Ich war auch auf der Insel. Ich dachte, vielleicht könnten die ja ein bisschen Unterstützung beim Buddeln gebrauchen. In letzter Zeit scheine ich mich auf diesem Gebiet zum Fachmann zu entwickeln.« Er schüttelte den Kopf. »Ich käme auch gut zurecht ohne diese besondere Fähigkeit. Es hat mir fast das Herz gebrochen.«
    »Joe meint, dass sie vielleicht an einer anderen Stelle auf der Insel begraben ist.«
    »Aber Sie glauben es nicht?«
    »Ich weiß nicht. Ich möchte es glauben.« Sie rieb sich die Schläfen. »Was tun Sie hier, Montalvo?«
    »Ich habe
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