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Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf

Titel: Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
Autoren: Henry Winterfeld
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Caius ist ein Dummkopf

1. Kapitel
Rufus nimmt die falsche Laterne mit
    Mucius blickte überrascht auf. Die ganze Klasse war plötzlich in ein schallendes Gelächter ausgebrochen, und er wußte nicht warum. Er war in seine Arbeit vertieft gewesen und hatte daher nicht darauf geachtet, was um ihn herum vorgegangen war.
    Jetzt entdeckte er, daß Rufus nicht auf seinem Platz saß, sondern hinter Xantippus, dem Lehrer, an der "Wand stand. Er mußte sich geschickt an ihm vorbeigeschlichen haben. Alle Achtung, das war eine anerkennenswerte Leistung!

    Aber darüber lachten die andern nicht; sie freuten sich, daß Caius eins ausgewischt bekommen hatte. An der Wand hing an einem großen Nagel eine Landkarte des Römischen Reiches; an den Nagel hatte Rufus eine seiner Schreibtafeln gehängt, und in das Wachs hatte er mit großen, krakeligen Buchstaben gekritzelt:
    CAIUS IST EIN DUMMKOPF
    Der Heiterkeitserfolg war groß; denn Caius war wirklich manchmal von aufreizender Begriffsstutzigkeit. Rufus strahlte und verbeugte sich wie ein Schauspieler auf der Bühne. Er ahnte nicht, der Unglückliche, daß sein kleiner Streich so verhängnisvolle Folgen für ihn und seine Freunde haben sollte.
    Auch Xantippus, der in einem Buch gelesen hatte, sah erstaunt auf. „Ruhe!" donnerte er.
    Sofort wurde es still. Rufus duckte sich erschrocken, und die andern beugten sich rasch wieder über ihre Arbeit. Sie hatten vor einer Weile laut im Chor griechische Vokabeln aufsagen müssen — ho georgos, der Bauer; ho lykos, der Wolf; to dendron, der Baum; ho hippos, das Pferd, und noch viele mehr — und dann hatte Xantippus ihnen befohlen, sie aus dem Gedächtnis aufzuschreiben.

    Jetzt kritzelten sie also emsig drauflos. Mucius flüsterte Antonius, der neben ihm saß, zu: „Ist Rufus verrückt geworden? Warum macht er das?"
    Antonius grinste. „Aus Rache", murmelte er zwischen den Zähnen. „Caius hat ihn nicht schreiben lassen. Er hat ihn unentwegt mit seinem Griffel in den Rücken gepiekt."
    Mucius ärgerte sich. Er hatte Caius schon oft gesagt, daß er Rufus in Ruhe lassen solle. Mucius war der Erste in der Klasse; er durfte daher befehlen, und die andern mußten gehorchen. Doch Caius gehorchte nicht gern. Vielleicht redete er sich ein, daß er es nicht nötig habe, weil sein Vater der reiche Senator Vinicius war. Caius war roh und stark, aber eigentlich nicht bösartig; er liebte es nur, plumpe Scherze zu machen.
    Aber er war leider auch jähzornig. Er schwoll rot an im Gesicht vor Wut, weil die andern auf seine Kosten lachten, und schrie Rufus ärgerlich zu: „Und du bist der Sohn eines Feiglings!"

    Xantippus war starr vor Staunen. Er glaubte, Caius meine ihn; er hatte noch immer nicht gemerkt, daß Rufus hinter ihm stand. „Ich bin der Sohn eines Feiglings?" fragte er stirnrunzelnd. „Was soll das bedeuten?" Doch bevor jemand seine Frage beantworten konnte, ging plötzlich alles drunter und drüber.
    Rufus liebte seinen Vater abgöttisch und war an seiner verwundbarsten Stelle getroffen worden. Sein Vater, Marcus Praetonius, war nämlich ein berühmter General, hatte aber vor kurzem irgendwo in Gallien eine wichtige Schlacht verloren, und das war Rufus' tiefer Schmerz. Er fiel über Caius her, trommelte mit beiden Fäusten auf ihn ein und schrie: „Du bist ein ganz gemeiner Lügner!" Caius kippte mit der Bank hintenüber, und während sich die beiden prügelnd auf dem Boden wälzten, sprangen die andern auf die Bänke, um besser sehen zu können, und benahmen sich, als ob sie einem aufregenden Gladiatorenkampf in der Arena zuschauten.
    Xantippus wurde auf einmal lebendig und sprang auf. Er trennte die beiden Kampfhähne und stellte sie auf die Beine. Caius und Rufus keuchten und starrten einander wütend an. Rufus' Tunika war am Hals zerrissen, aber auch Caius' einstmals blendend weiße Toga hatte an Schönheit eingebüßt.
    Xantippus' Augen funkelten zornig. „Mucius"! rief er schweratmend. „Berichte mir sofort, wie es zu dieser beispiellosen Disziplinlosigkeit gekommen ist!"
    Mucius war wenig begeistert, aber mit Xantippus war nicht zu spaßen. Er war sehr streng.
    Xantippus war ein Grieche und hieß eigentlich Xanthos. Die Jungen hatten ihm den Spitznamen Xantippus gegeben, weil er sie an die selige Xantippe erinnerte, die Frau des berühmten Philosophen Sokrates. Xantippe soll immer schlecht gelaunt gewesen sein und ihrem Mann das Leben sauer gemacht haben. Xantippus war auch immer schlecht gelaunt und machte seinen Schülern
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