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Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf

Titel: Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
Autoren: Henry Winterfeld
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die Breite Straße war noch menschenleer.
    „Gehen wir doch nach Hause. Was sollen wir hier unnötig rumsitzen", schimpfte Publius.
    „Ruhe!" zischte Mucius aufgeregt. „Ich glaube, ich habe nebenan etwas gehört." Er hielt den Kopf schief und lauschte gespannt. „Da! Hört ihr's?" flüsterte er.
    Aus Xantippus' Wohnung drang ein ersticktes Röcheln, und die Jungen starrten entsetzt auf den Vorhang.
3. Kapitel
Die Beule hat einen beträchtlichen Durchmesser
    „Wollen wir reingehen?" fragte Julius leise. Flavius protestierte erschrocken. „Wir sollten lieber die Polizei holen", stammelte er.
    Die andern blickten fragend auf Mucius. Mucius ging auf Zehenspitzen zum Vorhang hin, blieb davor stehen und lauschte wieder. Das Geräusch war verstummt.
    „Vielleicht war es nur der Wind", sagte er. „Ich hab' noch keinen Wind röcheln hören", murmelte Publius. „Außerdem ist es windstill." Mucius richtete sich energisch auf. „Bring deine Laterne her, Antonius!" sagte er entschlossen. „Ich werde nachsehen, was los ist."
    Antonius brachte die Laterne, und Mucius schlug beherzt den Vorhang beiseite. „Oh!" rief er erstaunt aus und blieb wie angewurzelt stehen.
    Die andern schauten ihm über die Schultern. Xantippus' Zimmer wurde durch ein schmales Fenster nur sehr spärlich erhellt, aber die Jungen sahen sofort, daß sich etwas Ungewöhnliches abgespielt hatte.
    Fast alle Möbel waren umgestürzt, und über den ganzen Fußboden verstreut lagen unordentlich durcheinander zahlreiche Papyrusrollen, Bilder, Mappen, Schreibtafeln und Kleidungsstücke. Nur das Bett und ein breiter Schrank in der Ecke standen noch aufrecht. Von Xantippus war nichts zu sehen. Sein Bett war leer, das Laken in Stücke zerrissen.
    Die Jungen waren bei dem Anblick so verblüfft, daß sie an das unheimliche Geräusch nicht mehr dachten. Mucius bahnte sich vorsichtig einen Weg durch den Trümmerhaufen, blieb in der Mitte des Zimmers stehen und schaute sich kopfschüttelnd um. „Toll!" murmelte er.
    Die andern kamen langsam nach. Flavius, der als einziger fluchtbereit am Eingang stehengeblieben war, fragte ängstlich: „Wo ist Xantippus?"
    Antonius leuchtete mit seiner Laterne in die Küchennische hinein und meldete: „Hier ist er nicht." Dann schaute er unters Bett, aber da war Xantippus auch nicht.
    „Wo kann er nur geblieben sein?" fragte Flavius.
    „Er ist ausgerückt", sagte Publius grinsend.
    „Ja, das ist es", rief Antonius. „Er ist heute nacht nach Griechenland zurückgefahren, weil er sich gestern abend so über uns geärgert hat. Vor Wut hat er vorher noch alles umgeschmissen." Publius lachte höhnisch. „Ich denke, er ist von Lukos in ein Schwein verzaubert worden?"
    „Nein", widersprach Antonius lebhaft, „er ist nicht in ein Schwein verzaubert worden. Er ist heute nacht bei Lukos gewesen, um sich wahrsagen zu lassen. Er wollte wissen, ob Rufus' Vater, der General, sehr wütend ist, wenn er nach Rom zurückkommt und hört, daß Rufus aus der Xanthosschule hinausgeworfen worden ist. So ein General ist sehr flink mit dem Schwert, und das ist Xantippus heute nacht plötzlich eingefallen, und da ist er sofort zu Lukos gerannt, und Lukos hat hellgesehen und gesagt, daß Xantippus in Lebensgefahr sei und daß er machen solle, daß er wegkomme, so rasch wie möglich, am besten gleich nach Griechenland. Der General wird nicht nach Griechenland segeln, bloß um Xantippus zu erstechen, das lohnt sich nicht... " Antonius brach erschrocken ab, denn auf einmal ertönte wieder das dumpfe Röcheln. Diesmal dauerte es länger und war auch lauter. Es kam ganz deutlich aus der Ecke, in der der Kleiderschrank stand.
    Die Jungen rührten sich nicht. „Da ist was drin", flüsterte Mucius. „Ein Geist", wisperte Antonius. „Laßt uns gehen", hauchte Flavius. Doch die andern starrten wie hypnotisiert auf den Schrank. Das Röcheln fing wieder an und wurde von einem heiseren Krächzen abgelöst. „Da ist ein Mensch eingesperrt", sagte Mucius aufgeregt und schlich zum Schrank hin. „Nicht aufmachen!" schrie Flavius unterdrückt auf. „Doch", sagte Mucius, „wir müssen. Er kann ja ersticken." „Es ist kein Mensch", rief Antonius hartnäckig, „es ist ein Geist, und ein Geist kann nicht ersticken." „Halt den Mund!" zischte Mucius wütend. „Kein Geist sitzt morgens im Schrank. Ich mach' auf. Leuchte mir!"
    Antonius richtete den Schein seiner Laterne auf die Schranktür, aber seine Hand zitterte, und der schwache Lichtschein tanzte wie
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