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Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf

Titel: Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
Autoren: Henry Winterfeld
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Strafarbeit nicht gemacht und schwänzte deswegen, obwohl es ihm wenig nützen würde. Xantippus hatte ein vorzügliches Gedächtnis, besonders, wenn es sich um Strafarbeiten handelte.
    Aber wo blieb Xantippus? Die Jungen hatten zwar keine Sehnsucht nach ihm, aber es war reichlich stumpfsinnig, hier schweigend zu sitzen und die "Wände anzustarren. Sie froren, waren müde und wünschten sich viel lieber zu Hause im Bett. Ihre Handlaternen, die sie neben sich auf die Bank gestellt hatten, flackerten trübe und stanken nach verbranntem Olivenöl. Draußen war es noch dunkel, und die Breite Straße lag in der grauen Morgendämmerung wie ausgestorben da.
    Antonius und Flavius verzehrten schweigend ein paar Brötchen, die sie sich unterwegs in derSubura gekauft hatten, da sie zu Hause noch kein Frühstück bekommen hatten.
    Allmählich wurden die Jungen unruhig. Xantippus' Wohnung lag direkt nebenan, und davor war nur ein dünner Vorhang; wenn Xantippus aufgewesen wäre, hätten die Jungen ihn hören müssen. Aber hinter dem Vorhang blieb es grabesstill.
    „Er hat verschlafen", sagte Publius, schadenfroh grinsend.
    Julius schüttelte ungläubig den Kopf. „Ausgeschlossen", sagte er, „Xantippus ist noch niemals später als um die zehnte Stunde der Nacht aufgestanden. Das hat er selber erzählt."
    „Ich glaub' nicht alles, was er erzählt", erwiderte Publius verächtlich.
    Flavius meinte, daß Xantippus vielleicht schon zu Rufus' Mutter gegangen sei, aber Mucius knurrte: „Blödsinn, kein Mensch geht vor Sonnenaufgang irgendwohin. Lösch deine Laterne aus! Sie qualmt so, daß man erstickt."
    Flavius pustete gehorsam seine Laterne aus. Antonius entdeckte plötzlich, daß Xantippus' Schemel vor dem Pult auf dem Boden lag. Niemand konnte sich erklären, was das bedeutete; denn Xantippus war übertrieben ordentlich.
    „Vielleicht ist er krank", sagte Julius.
    „Das hat doch mit dem Schemel nichts zu tun", sagte Publius.
    „Doch", sagte Julius, „sonst hätte er ihn bestimmt aufgehoben. Wir sollten reingehen und nachsehen, ob ihm was fehlt."
    Mucius war dagegen. „Wenn Xantippus krank ist, hätte er uns schon gerufen. Wir warten", bestimmte er.
    „Sehr richtig", sagte Publius gähnend. „Ich bin froh, wenn er mich in Ruhe läßt." Er legte sich lang auf die Bank und tat, als ob er schnarche.
    Die andern lachten, doch Antonius erschreckte sie, indem er gepreßt ausrief: „Vielleicht ist Xantippus ermordet worden!" Flavius wurde blaß und drehte sich unwillkürlich zum Vorhang um. Er war kein großer Held, der kleine Flavius. „Wer sollte Xantippus denn ermordet haben?" fragte Mucius mißbilligend.
    „Lukos!" flüsterte Antonius.
    Antonius vermutete immer gleich das Schlimmste. In seinem Kopf spukte es von Geistern und Verbrechern; er schaute auch abends vorm Schlafengehen jedesmal unter sein Bett, ob vielleicht ein Räuber darunter versteckt sei, aber er wurde immer enttäuscht; es war nie einer drunter.
    Seine Freunde kannten seine blühende Phantasie, doch diesmal waren sie beeindruckt. Der Gedanke an Lukos verursachte ihnen ein leichtes Gruseln.
    Lukos war ein berühmter Astrologe und Hellseher. Er stammte angeblich aus Alexandria, der bekannten griechischen Kolonie in Ägypten, und er war vor ungefähr zwei Jahren nach Rom gekommen. Man erzählte sich Wunderdinge von ihm. Es hieß, daß er mit übernatürlichen Kräften begabt sei, denn er hatte viele wichtige politische Ereignisse vorausgesagt. Einige Leute glaubten sogar, daß er zaubern könne.
    Die Jungen interessierten sich sehr für Lukos, weil sein Haus gegenüber der Schule lag und sie es ständig vor Augen hatten. Es war ein düsteres, fensterloses Gebäude aus dicken Steinquadern und überragte wie ein Tür in die angrenzenden niedrigen Läden. Neben dem hölzernen Eingangstor hing ein großes Plakat an der Mauer. Darauf stand in großen knallroten Lettern: LUKOS, weltberühmter Astrologe, Mitglied der Akademie von Alexandria und ehemaliger Leibwahrsager des Königs von Persien. Sprechstunden: Nach Sonnenuntergang. Bettlern und Hausierern ist der Eintritt verboten. Zuwiderhandlungen lebensgefährlich.
    Die Jungen hatten das Plakat schon unzählige Male gelesen, aber es beeindruckte sie immer wieder aufs neue. Besonders der letzte Satz: Zuwiderhandlungen lebensgefährlich.
    Antonius vermutete, daß Lukos im Keller seines Hauses mindestens ein halbes Dutzend Leichen von Bettlern und Hausierern vergraben hätte, aber die andern lachten nur. Allerdings
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