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Weinen in der Dunkelheit

Weinen in der Dunkelheit

Titel: Weinen in der Dunkelheit
Autoren: Unbekannter Autor
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Ursula Burkowski - Weinen in der Dunkelheit
    Als sich ihre Mutter aus Ostberlin in den Westen absetzt, wird die zweijährige Ursula Burkowski in die Anstalt Königsheide gesteckt, ein Vorzeigeheim der DDR. — Eine Zeit unfaßbarer Grausamkeiten beginnt...
    Als die zweijährige Ursula Burkowski und ihre Geschwister im Winter 1953 von ihrem Großvater gefunden werden, ist ihre Mutter schon eine Woche verschwunden. Sie hat sich aus Ostberlin in den Westen abgesetzt. Die Kinder sind halb verhungert, die Haare der Jüngsten an den Gitterstäben des Kinderbettchens festgefroren.
    Ursula wird in das Kinderheim Königsheide eingewiesen, eine Vorzeigeanstalt der DDR. Hier erfährt sie die Einsamkeit der Gruppenerziehung: Stubenappelle und Stubenarrest, Politdrill und Fähnchenschwenken bei Staatsfeiern, homosexuelle Praktiken eines Erziehers und die Schwangerschaft einer dreizehnjährigen Freundin. Sie lernt früh, daß von Erwachsenen nicht viel zu erwarten ist. Und sie lernt sich zu wehren ...
VORWORT
    In diesem Buch schreibe ich über meine schwierige Kindheit und Jugend.
    Als ich mit zehn Jahren lernte, meine Umwelt zu begreifen, nahm ich mir vor, alles einmal aufzuschreiben. Mein erstes Tagebuch hatte ich mit vierzehn Jahren. Es ist von einem Freund, der eifersüchtig war, zerrissen worden.
    1989 flüchteten viele Eltern ohne ihre Kinder durch die plötzlich offene Grenze in den Westen. Die Heime füllten sich mit verlassenen Kindern. Nun stand mein Entschluß fest: Ich muß allen Menschen zeigen, wie Kindern und Jugendlichen, die ohne Elternhaus aufwachsen, zumute ist. Denn wer weiß das schon? Wer macht sich schon Gedanken darüber, warum Kinder, wenn man sie befragt, über sich selbst schweigen?
    Mancher jugendliche Leser wird sich in meinem Buch wiederfinden, trotzdem ist es eher ein Buch für Erwachsene. Aufmerksam gelesen, trägt es dazu bei, Verständnis für diese Kinder und Jugendlichen zu wecken, die es mit ihrer Umwelt und sich selbst schon schwer genug haben.
    Berlin 1991 U. Burkowski
So könnte es gewesen sein
    Ost-Berlin 1953. Eilig läuft die Frau durch den kalten Dezemberregen. Sie weiß, das ist ihre letzte Chance: Wenn sie die nicht nutzt, muß sie wieder ins Gefängnis.
    Endlich, der Bahnhof! Die S-Bahn steht schon da. Hoffentlich kommt keine Polizeikontrolle, denkt sie und geht schneller. Gerade noch rechtzeitig erreicht sie den Wagen, denn da fährt der Zug auch schon los, Richtung West-Berlin.
    Erleichtert läßt sie sich in einer Ecke auf die harte Holzbank fallen. Sie schaut in die dunkle Nacht und spürt Schadenfreude in sich aufsteigen. Das Leben noch einmal neu beginnen ohne die Vergangenheit, das ist ihr Ziel.
    Zufrieden betrachtet sie ihr Spiegelbild im Fenster, sie ist noch immer eine schöne Frau. Als der Zug hält, hört sie: »Lehrter Bahnhof«, erste Station in WestBerlin.
Weihnachten
    Langsam geht der alte Mann durch die gottverlassene Gegend von Kaulsdorf. Ob seine Tochter es am Heiligabend den Kindern gemütlich gemacht hat? Er ist sich nicht sicher. Zu oft hat er die Kinder allein vorgefunden. Die Angst um seine Enkel treibt ihn hastiger vorwärts.
    Erschöpft von der Anstrengung des langen Fußmarsches erreicht er das einsame Haus am Bahngelände. Fast gespenstisch hebt es sich in der trüben Dämmerung gegen den Himm el ab. In den Fenstern brennt kein Licht - die Angst schnürt ihm fast das Herz ab. Also doch! Leise ruft er nach den Kindern. Erleichtert sieht er das schwarze Loch eines geöffneten Oberfensters. Er ruft noch einmal, diesmal lauter, dann hört er die Stimme seines ältesten Enkels:
    »Opa, hilf uns! Wir sind allein und haben Hunger. An den Wasserhahn komme ich heran, zu trinken haben wir!«
    Der Mann versucht, seine Enkel zu beruhigen, und ruft: »Ich hole Hilfe, bin gleich zurück!«
    Mit Gewalt brechen die Polizisten die verschlossene Tür auf. Ein fürchterlicher Gestank von Kot und Urin schlägt ihnen entgegen. Der Lichtschalter funktioniert nicht. Beim Einschalten der Taschenlampe bietet sich ihnen ein grauenvolles Bild. Nackt, verdreckt und völlig unterernährt sitzen die Kinder auf den schmutzigen Holzdielen. Ein etwa zweijähriges Mädchen schaut mit großen, traurigen Augen still auf die Fremden und versucht, mit der einzigen Decke im Zimmer seinen mageren Körper zu wärmen. Im Zimmer herrscht eisige Kälte, der Kachelofen ist offenbar seit Tagen nicht geheizt worden. In einer Ecke steht ein rostiges Metallgitterbett, in dem ein vier Monate altes Mädchen
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