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Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf

Titel: Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
Autoren: Henry Winterfeld
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das Leben sauer. Er verlangte eisernen Fleiß und musterhafte Disziplin von ihnen. Aber er schlug sie niemals und verstand es, sich auf andere Weise Respekt zu verschaffen. Er duldete auch nicht, daß die Sklaven, die die Jungen morgens zur Schule brachten, während des Unterrichts dort blieben, wie es üblich war, sondern verlangte, daß sie abends zurückkamen, um die Jungen abzuholen. Er behauptete, es lenke seine Schüler vom Lernen ab, wenn die Sklaven dabei seien.
    Xantippus konnte sich solche Eigenmächtigkeiten erlauben. Er war ein berühmter Mathematiker, der viele Bücher über Kreise, Dreiecke, Diagonalen, Parallelogramme und ähnliches kopfzerbrechende Zeug geschrieben hatte. Seine Schule, die Xanthosschule, war auch eine der teuersten und vornehmsten Grammatikschulen in Rom, und nur die reichsten Patrizier konnten es sich leisten, ihre Söhne von Xantippus unterrichten zu lassen. Deswegen hatte er auch immer nur wenige Schüler. Zur Zeit waren es nur sieben, und zwar die Knaben Mucius, Rufus, Caius, Publius, Julius, Flavius und Antonius. Sie wohnten zufälligerweise alle nicht weit voneinander entfernt in einer aristokratischen Villengegend auf dem Esquilinus-Hügel und hatten daher denselben Schulweg.
    Xantippus wartete noch immer ungeduldig auf Mucius' Antwort. Schließlich schnauzte er ihn an: „Was ist los mit dir? Hast du die Sprache verloren?"
    Mucius riß sich zusammen. „Ich weiß nicht, was los war", sagte er zögernd. „Ida habe die griechischen Vokabeln aufgeschrieben und mich um nichts anderes gekümmert."
    Darauf konnte Xantippus nichts erwidern, denn er hatte ihnen ja befohlen, die Vokabeln aufzuschreiben.
    „Wir haben alle nichts gesehen", rief Antonius.
    Xantippus pflanzte sich vor Rufus auf und sagte: „Zeig mir sofort deine Vokabeln!" „Ich .. . ich hab' sie nicht", stotterte Rufus. „Warum nicht?" fragte Xantippus drohend. „Ich .. . ich hatte einen Schreibkrampf", murmelte Rufus schwach. Das war eine dumme Ausrede, aber es war sehr anständig von ihm, daß er Caius nicht verpetzen wollte. Er hätte ja einfach sagen können, daß Caius ihn am Schreiben gehindert hatte. „So? Einen Schreibkrampf?" wiederholte Xantippus eisig. Dann wandte er sich Caius zu. „Und du?" fragte er.
    „Ich?" Caius tat außerordentlich erstaunt.
    „Ja, du, wer sonst? Romulus und Remus vielleicht? Wo sind deine Vokabeln?"
    „Ich habe keine", brummte Caius achselzuckend.
    „Warum nicht?" schrie Xantippus ihn an.
    „Ich hab' mir die Dinger einfach nicht merken können", seufzte Caius. Er schien über Xantippus' Zumutung fast beleidigt zu sein.

    „Ich werde euch die Flötentöne schon beibringen", schnaubte Xantippus. „Statt eure Pflicht zu tun, habt ihr euch während des Unterrichts geprügelt. Wer von euch hat damit angefangen?"
    Caius und Rufus schwiegen.
    „Aha!" sagte Xantippus. „Ihr wollt die Helden spielen. Dadurch zwingt ihr mich, schärfere Maßnahmen anzuwenden." Er richtete seinen Zeigefinger wie einen gezückten Dolch auf Rufus und fragte lauernd: „He, was hast du hinter meinem Rücken an der Wand zu suchen gehabt? Sprich, Rufus Marcus Praetonius!"
    Rufus sprach aber nicht. Verdattert starrte er Xantippus an. Xantippus drehte sich um und warf einen prüfenden Blick auf die Wand. Er entdeckte die Schreibtafel mit der Aufschrift „CAIUS IST EIN DUMMKOPF" und explodierte. „Ha!" schrie er. „Sieh mal an! Ich denke, du hast einen Schreibkrampf gehabt! Na warte, mein Bürschchen! Du sollst mich kennenlernen. Du hast groben Unfug getrieben, statt zu arbeiten. Du hast die Ruhe und Ordnung in der Klasse gestört. Und du hast mich obendrein noch angelogen. Pack sofort deine Sachen und geh! Die Xanthosschule ist kein Tummelplatz für disziplinlose junge Römer. Morgen gehe ich zu deiner Mutter und bitte sie, dich aus der Schule zu nehmen. Ich werde ihr das Schulgeld zurückgeben. Du bist es nicht wert, daß deine Eltern so viel Geld für dich ausgeben." Dann befahl er den andern, sich sofort wieder auf die Plätze zu setzen und weiterzuschreiben. Aber er hatte Caius nicht vergessen. „Und du bringst mir morgen sämtliche Vokabeln zehnmal in Schönschrift geschrieben!" gab er ihm auf. „Und wehe dir, wenn ich einen einzigen Fehler entdecke!"
    Das Strafgericht war zu Ende. Xantippus kehrte zu seinem Pult zurück und vertiefte sich wieder in sein Buch. Er würdigte Rufus keines Blickes mehr.
    Caius setzte sich mit böser Miene, doch Rufus stand wie versteinert und starrte Xantippus
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