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Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf

Titel: Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf
Autoren: Henry Winterfeld
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ein Irrlicht an der Wand auf und ab. Im Schrank krächzte es wieder. Der Schlüssel steckte außen im Schloß; Mucius drehte ihn kühn herum; riß die Tür auf und prallte erschrocken zurück.
    Im Schrank saß Xantippus, von oben bis unten wie ein Kleiderbündel verschnürt. Seine Hände waren auf den Rücken gefesselt, und um seinen Kopf waren mehrere Streifen des Bettlakens gewickelt, so daß man nur seine Augen und das zerzauste Haar sehen konnte.
    „Xantippus!" riefen die Jungen überrascht. Hinter dem Tuch krächzte es ärgerlich.

    „Warum sitzt er im Schrank?" fragte Flavius völlig fassungslos. Xantippus krächzte noch lauter. „Er will raus", meinte Antonius. Mucius wurde auf einmal lebendig. „Steht doch nicht so dumm herum!" schrie er die andern an. „Wir können ihn doch nicht so sitzenlassen. Los, helft mir! Packt zu!" Sie zerrten Xantippus mit vereinten Kräften aus dem Schrank heraus und ließen ihn auf den Fußboden plumpsen. Xantippus knurrte wild. Mucius riß ihm das Tuch vom Kopf, beugte sich über ihn und fragte besorgt: „Wie geht es dir?"
    Xantippus antwortete nicht; er schloß die Augen und seufzte tief.
    „Er stirbt", sagte Antonius.
    Aber Xantippus machte die Augen auf und sagte zornig: „Bei Jupiter und allen himmlischen Göttern! Warum habt ihr so lange gewartet! Ich wäre beinahe erstickt. Rasch, nehmt mir die Fesseln ab! Meine Arme und Beine sind völlig abgestorben. Holt am besten ein Messer aus der Küche!"
    Inzwischen hatten Antonius und Publius die Schnüre um Xantippus' Beine abgewickelt. Mucius schnitt mit einem großen Brotmesser, das Flavius gebracht hatte, die Handfesseln durch. Xantippus bewegte vorsichtig die Arme und drehte, leise stöhnend, die Hände in den Gelenken. „Helft mir!" befahl er den Jungen. „Ich kann mich nicht bewegen."
    Die Jungen hoben ihn auf und führten ihn zu seinem Bett, auf das er erschöpft niedersank. Nach einer Weile betastete er schmerzverzerrt sein rechtes Bein. „Mein Bein!" sagte er grollend. „Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß ich es mir verstaucht habe. Natürlich, es ist geschwollen! Oh! Ah! Auftreten unmöglich!" Dann faßte er sich an den Kopf und rief: „Eine Beule! Dacht' ich's mir doch! Und was für eine Beule! Die Geschwulst ist annähernd rund und hat einen beträchtlichen Durchmesser." Er nahm einen kleinen Metallspiegel von einem Brettchen über dem Bett und starrte lange trübsinnig hinein.
    Mucius räusperte sich und fragte respektvoll: „Wie bist du in den Schrank gekommen?"
    Xantippus schaute ihn vorwurfsvoll an und sagte seufzend: „Ich bin heute nacht überfallen worden."
4. Kapitel
Der Räuber studiert vielleicht Mathematik
    „Überfallen?" riefen die Jungen aufgeregt.
    „Von wem bist du denn überfallen worden?" fragte Julius.
    „Wollte man dich ermorden?" rief Antonius.
    „Ich bitte um Ruhe!" krächzte Xantippus. Er war noch immer heiser. „Ich weiß nicht, wer mich überfallen hat. Ich lag im Bett und schlief. Mitten in der Nacht wachte ich auf, weil ich nebenan im Klassenzimmer jemand gehen hörte. ,Wer da?' rief ich, bekam aber keine Antwort. Ich sprang aus dem Bett und ging nach nebenan. Das war sehr unüberlegt von mir; ich hätte erst Licht machen sollen, denn es war völlig finster. Plötzlich umschlangen mich zwei Arme; ich versuchte, den Unbekannten am Hals zu packen, aber er war stärker als ich und warf mich zu Boden. Ich wollte aufspringen, bekam aber einen heftigen Schlag auf den Kopf und wurde bewußtlos."
    „Junge!" entfuhr es Antonius in seiner Aufregung.
    Xantippus warf ihm einen tadelnden Blick zu und fuhr fort: „Als ich zu mir kam, saß ich gefesselt und geknebelt im Schrank. Ich hörte den Einbrecher in meinem Zimmer lange zwischen meinen Sachen kramen, als ob er verzweifelt etwas suchte. Schließlich ging er weg, und es wurde still. Die Zeit nahm kein Ende, bis ich euch endlich nebenan im Klassenzimmer hörte. Ich konnte aber nicht nach euch rufen, weil ich das Tuch vor dem Mund hatte. Wenn ihr mich nicht bald befreit hättet, wäre ich sicher erstickt."
    Er betastete wieder besorgt seine Beule, dann drückte er ädizend an seinem Bein herum und sagte: „Dieser Uberfall ist mir ein Rätsel."
    „Vielleicht war es ein Dieb", sagte Julius.
    Xantippus blickte überrascht auf. „Ein Dieb?" sagte er. „Wer sollte etwas bei mir stehlen? Ich bin kein Krösus. Außerdem habe ich mein Geld auf der Bank. Aber man kann nie wissen — vielleicht war es wirklich ein Dieb. Räumt mein
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