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Die Knochenleserin

Die Knochenleserin

Titel: Die Knochenleserin
Autoren: Iris Johansen
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Ihr treuester Verbündeter und Busenfreund.«
    Sie würde es nicht vergessen. »Es wäre leichter, wenn Sie jetzt einfach gingen, Montalvo.«
    »Aber keiner von uns beiden macht es sich gern leicht.« Er hob ihre Hand und führte sie an seine Lippen. »Sehen Sie, wie zurückhaltend ich bin?«
    Zurückhaltend? Sie spürte seine Begierde in der ganzen Hand bis in den Arm. Sie riss sich los. »Auf Wiedersehen, Montalvo.«
    Er lachte in sich hinein und stand auf. »Gute Nacht, Eve. Ich melde mich. Wahrscheinlich nicht bei Ihnen, weil Sie im Moment zu argwöhnisch sind.«
    »Und Joe nicht?«
    »Quinn und ich, wir verstehen uns.« Er ging zur Treppe. »Mit der Zeit werden wir unsere Differenzen überwinden.«
    »Sie träumen.« Sie ließ einen Augenblick verstreichen. »Warum tun Sie das? Warum wollen Sie solche Mühen auf sich nehmen?«
    »Miguel hat mich einmal gefragt, ob Sie das wert wären. Ich habe mit Ja geantwortet.« An der Treppe blieb er stehen, drehte sich zu ihr um und fügte schlicht hinzu: »Außerdem bin ich einsam. Ich finde es schwierig, Nähe zu Menschen zu aufzubauen. Sie würden mir fehlen, wenn Sie nicht in meinem Leben wären. Deshalb werde ich es so einrichten, dass Sie darin bleiben.«
    Sie durfte das alles nicht so nah an sich heranlassen. Niemand war zäher und besser in der Lage, für sich selbst zu sorgen, als Montalvo. Dennoch zweifelte sie nicht an seiner Aufrichtigkeit. »Das könnte auf Sie selbst zurückfallen. Sie sagen, Sie wollen Joes bester Freund werden, und doch wollen Sie abseits stehen.« Sie lächelte. »Ich kenne Joe. Bei ihm kann man nicht abseits stehen. Für ihn ist es alles oder nichts. Sie sagen, Sie verstehen ihn. Vielleicht werden Sie sogar so viel Zuneigung zu ihm entwickeln wie für Miguel. Wäre das nicht lustig?«
    »Nein, es wäre nicht lustig.« Er hob seine Hand zum Abschied. »Aber ich gehe das Risiko ein. Was wäre das Leben ohne ein wenig Ungewissheit?«
    Sie schaute ihm nach, als er die Treppe hinunterging. Was für ein schwieriger Mann. Er war ein so komplexer und vielschichtiger Charakter, dass man sich wahrscheinlich ein Leben lang daran abarbeiten konnte. Diese jüngste Entwicklung war für sie völlig überraschend gekommen. Ob es Berechnung war? Sicherlich, aber einen Moment lang hatte er sich auch sehr verletzlich gezeigt. Trotzdem war es besser, Montalvo nicht als einen verletzlichen Menschen zu sehen. Mit ein bisschen Glück würde er schon bald aus ihrem Leben verschwunden sein. Er mochte noch so zuversichtlich sein, dass er mit seinem Vorhaben Erfolg haben würde, aber Joes Feindseligkeit zu überwinden, würde der Bezwingung einer Steilwand gleichkommen. Montalvo besaß durchaus ein gewisses Ehrgefühl, und sie kaufte es ihm ab, wenn er behauptete, er wolle sich nicht zwischen sie und Joe stellen. Wenn es keine andere Möglichkeit der Annäherung gab, würde sich die Tür schließen und er würde von dannen ziehen. Erneut spürte sie diese unerklärliche Traurigkeit. Andererseits war es nur natürlich, es als Verlust zu empfinden, wenn ein starker Mensch wie Montalvo sich aus ihrem Leben verabschiedete. Das Gefühl würde sich wieder legen.
    Sie stand auf und ging zur Eingangstür. Sie würde unter die Dusche gehen, sich umziehen, anschließend ihre Post durchsehen und auf Joes Anruf warten.
    Und hoffen, dass es Neuigkeiten von Bonnie gab.

18
    D rei Stunden später sah sie von der Veranda aus Joes Wagen die Straße heraufkommen.
    Er sieht völlig erschöpft aus, dachte sie, als er ausstieg. Wie hätte es auch anders sein können? Seit sechsunddreißig Stunden hatten sie beide nicht geschlafen.
    »Du hättest nicht aufbleiben sollen. Ich hätte dich geweckt.« Er kam die Stufen hoch. »Ich weiß, was dir wichtig ist.«
    »Ich wollte nicht ins Bett gehen.« Das Herz schlug ihr bis zum Hals. »Erzähl.«
    »Keine Spur von Bonnie. Die Sucharbeiten auf der Insel dauern noch an. Die haben sogar eine Spezialausrüstung aus Jacksonville kommen lassen, aber auch damit konnten sie keine weiteren Knochen im Boden aufspüren.« Er nahm sie in die Arme und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. »Gott, es tut mir so leid.«
    »Mir auch«, flüsterte sie.
    »Übrigens, Bonnies Lieblingslied. Wir sind in einer Zeitung aus Macon in Georgia auf einen Bericht gestoßen, in dem es erwähnt wird.«
    »Also kann Kistle es gelesen und sich daran erinnert haben.« Sie schlang die Arme um ihn. Er war warm und muskulös, und er gab ihr Geborgenheit. Als ihr die Tränen in die
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