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Die Knochenleserin

Die Knochenleserin

Titel: Die Knochenleserin
Autoren: Iris Johansen
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bleiben.« Er gähnte. »Wahrscheinlich hat sie gleich den nächsten Flieger genommen.«
    »Nicht nur wahrscheinlich. Es hat ihr gar nicht gefallen, dass wir sie belogen haben.«
    »Ich habe sie belogen, nicht du.«
    »Das kommt doch auf eins raus.«
    »Wirklich?«
    Sie lächelte. »Natürlich, gemeinsam sind wir stark …« Sie gab ihm noch einen Kuss auf die Stirn. »In ein paar Stunden bin ich wieder hier. Auf dem Rückweg hole ich uns bei Dunkin’ Donuts eine ganze Ladung sündigen Süßkram zum Frühstück. Vielleicht hat das ja einen besänftigenden Einfluss auf Jane.« Sie ging zur Tür. »Obwohl das eine harte Nuss wird. Jane lässt sich nicht leicht besänftigen.«
    »Wie du«, sagte Joe. »Und Donuts haben dich noch nie weichgemacht, Eve.«
    »Vielleicht entdecke ich ja gerade meine Vorliebe für Donuts. Du hast recht, ich könnte auch ein bisschen weicher werden.« Sie winkte ihm zu und war verschwunden.
    Als Joe hörte, wie die Haustür ins Schloss fiel, ließ er sich wieder aufs Kissen sinken.
    Weich. Eve wusste doch nicht mal, was das bedeutete. Sie war eine Sturmbraut voller Humor und Zuneigung, die durchschimmerten, wenn die dunklen Wolken sich lichteten.
    Und er hatte keine Ahnung, wie lange er noch überleben konnte im Auge dieses Sturms. Er würde sich selbst zerstören, und womöglich auch Eve. Sie hatte in ihrem Leben genug Tragödien überstanden, und sie musste sich nicht auch noch mit der Verbitterung und Wut herumschlagen, die ihn innerlich zerrissen. Sie würde ihre Suche nach Bonnie nie aufgeben, und er würde nie etwas anderes als Frustration und Verzweiflung empfinden, wenn er an Eves Tochter dachte. Die Verbitterung würde immer größer werden, und irgendwann würde sie ihn von Eve wegtreiben. Aber bis dahin hatte er ihr womöglich so viel Leid zugefügt, dass sie sich nicht mehr davon erholen würde.
    Nicht darüber nachdenken. Eve war jetzt bei ihm, und eine Weile würde Frieden herrschen. Das würde sich ändern, sobald die Suche wieder losging. Dann würde er entscheiden, ob er sich noch einmal darauf würde einlassen können.
    Er schloss die Augen. Versuch zu schlafen. In ein paar Stunden würden Eve und Jane kommen, und er musste sich zusammenreißen, damit Eve nicht merkte, wie nah unter der Oberfläche dieser Konflikt brodelte. Er wollte sie nicht verletzen, solange es nicht unbedingt nötig war …
     
    Öffnen.
    »Nein!«
    Megan fuhr aus dem Schlaf und setzte sich auf, ihr Herz klopfte so heftig, dass sie fürchtete, es würde ihr aus der Brust springen. Sie schwang ihre Beine aus dem Bett.
    »Was ist los?« Phillip stand mit sorgenvoller Miene in ihrer Tür. »Du hast geschrien.« Er schaltete das Licht ein und trat ans Bett. »Du weinst ja.«
    »Tatsächlich?« Megan wischte sich mit dem Handrücken über die Wange. »Es war nur ein Alptraum. Tut mir leid, dass ich dich belästigt habe, Phillip.«
    »Du hast mich nicht belästigt.« Er zog den Lehnstuhl ans Bett heran. »Und es ist doch ganz natürlich, dass du durcheinander bist. Schließlich ist das die erste Nacht nach diesem schrecklichen Erlebnis. Was hast du geträumt?« Er wartete einen Moment. »Von der Insel?«
    »Nicht direkt.« Sie holte tief Luft. »Es war … merkwürdig. Es waren die Stimmen.« Sie stand auf. »Ich hole mir ein Glas Wasser.« Sie hob abwehrend eine Hand, als er etwas sagen wollte. »Kein heißer Kakao. Einfach nur Wasser. Einen Moment. Ich bin gleich wieder da.«
    Sie trank ein ganzes Glas Wasser, stützte sich auf das Waschbecken und atmete tief durch. Sie würde gleich zu Phillip zurückkehren müssen, aber sie brauchte einen Augenblick, um sich wieder zu fangen.
    Öffnen.
    Hören.
    Sehen.
    Schieben.
    Öffnen.
    Stimmen.
    Einzelne, unzusammenhängende Worte von den Stimmen in dem Alptraum. Aber es waren keine Worte, die die Stimmen der Kinder auf der Insel gerufen hatten.
    Und doch hatte sie das Gefühl, dass sie sich eigentlich daran erinnern müsste.
    Hören.
    Sehen.
    Öffnen.
    Sie wischte sich das Gesicht mit einem kühlen Waschlappen ab. Sie musste zurück zu Phillip, bevor er sich noch mehr Sorgen machte.
    Er runzelte die Stirn, als sie zurückkam und wieder unter die Bettdecke schlüpfte. »Es geht mir schon wieder besser. Geh du auch schlafen, Phillip.«
    »Gleich.« Er lehnte sich in dem Sessel zurück. »Du hattest schon oft Alpträume wegen der Stimmen, aber ich habe noch nicht erlebt, dass du so durcheinander warst. Meistens bist du eher … traurig.«
    »Diesmal war es
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