Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Knochenleserin

Die Knochenleserin

Titel: Die Knochenleserin
Autoren: Iris Johansen
Vom Netzwerk:
hinunter. »Ich gehe jetzt duschen und dann ins Bett. Kommst du mit?«
    Ein Gespräch beim Kaffee, Duschen, Bett; die vertraute Routine, die ihr Leben bestimmte. Sie spürte die düstere Seite in ihm, die sie auseinandertreiben konnte, aber er ließ sie nicht an die Oberfläche kommen. Noch nicht. Also musste sie diese geliebte Routine hochhalten. Es war nicht vorhersehbar, wie lange es sie noch geben würde.
    Sie lächelte und stand auf. »Immer.«
     
    Joe war auf der Stelle eingeschlafen, nachdem er ins Bett gefallen war, aber Eve lag noch wach. Eigentlich müsste sie ebenso erschöpft sein wie Joe, und das war sie vermutlich auch. Aber die Erinnerungen und die Traurigkeit ließen sie nicht los. Die Erinnerungen und die Angst vor dem, was ihr bevorstand.
    Joe würde sie verlassen. Vielleicht nicht in der kommenden Woche und nicht noch in diesem Monat, aber es war unausweichlich. Der Gedanke, dass sie die Suche nach Bonnie nicht aufgeben würde, war ihm unerträglich, aber sie würde es nicht ertragen, es nicht zu tun.
    Ich kann Bonnie nicht lieben. Es tut mir leid, aber so ist es nun mal. Und ich weiß nicht, ob ich noch einmal mit ansehen kann, wie du durch so eine Hölle Sie konnte seinen Schmerz verstehen, aber sie konnte ihm nicht helfen. Sie konnte nicht mehr tun, als abzuwarten und sich innerlich zu wappnen für das, was auf sie zukam.
    Als ihr Handy auf dem Nachttisch vibrierte, nahm sie es, bevor Joe aufwachte.
    Jane.
    Sie schlüpfte aus dem Bett und schlich aus dem Schlafzimmer.
    »Hallo, Jane, wie wütend bist du?«, fragte sie.
    »Ich bin kein bisschen wütend. Nur verletzt. Du weißt, dass du mich nicht hättest belügen dürfen.«
    »Ja«, sagte Eve müde. »Aber in dem Moment schien es das einzig Richtige zu sein. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dich auch noch in diesen Horror hineinzuziehen.«
    »Warum nicht? Ich gehöre schließlich zu dir. Joe hat mir gesagt, dass Bonnies Leiche nicht gefunden wurde.«
    »Noch nicht.«
    »Das tut mir leid. Ich weiß, wie sehr du darunter leidest.«
    »Es wird schon wieder.«
    »Wie geht’s Joe? Er klang nicht besonders gut, als er anrief.«
    »Es ist schwierig für ihn.«
    »Verstehe.« Sie dachte einen Moment lang nach. »Als ich noch klein war, musste ich mir richtig Mühe geben, Bonnie nicht abzulehnen.«
    »Jane.«
    »Also, ich war nicht eifersüchtig. Du hast mir alles gegeben, was du konntest. Aber für mich war sie eine Fremde und sie war das Einzige, das wir nicht miteinander teilen konnten. Und ich war wie Joe. Ich wollte nicht verletzt werden.«
    »Das hast du mir ja noch nie erzählt.«
    »Ich wollte dir nicht weh tun. Und jetzt erzähle ich es dir nur, damit dir klar wird, was Joe empfindet.«
    »Ich verstehe. Wir werden das schon durchstehen.«
    »Natürlich werdet ihr das. Ich habe es ja auch hinter mir gelassen, und jetzt habe ich keinerlei Probleme mehr mit deinen Gefühlen für Bonnie. Aber ich kann dein Gesicht jetzt nicht sehen, um festzustellen, ob du vielleicht doch nur versuchst, mich nicht zu beunruhigen. Manchmal hasse ich das Telefon.« Sie fügte fröhlich hinzu: »Aber wir sehen uns ja bald. Ich bin gerade auf Zwischenstopp in New York. Ich komme in ein paar Stunden in Atlanta an. Kannst du mich abholen?«
    »Jane, warum bist du nicht in –«
    »Weil wir eine Familie sind und weil ich bei dir sein will. Also, holst du mich ab?«
    »Natürlich.«
    »Delta 231. Ich hab dich gern. Bis nachher.« Sie legte auf.
    Das Gespräch hatte sie aufgewühlt. Tief in ihrem Herzen hatte Eve immer gewusst, dass Jane sich von ihr nicht so geliebt fühlte, wie sie Bonnie liebte, aber Jane hatte es beharrlich abgestritten. Jetzt war es offen ausgesprochen, und sie würden damit umgehen müssen. Dennoch fühlte sich Eve davon nicht gestresst. Sie empfand eher Erleichterung, und ihr Verhältnis zu Jane war so eng, dass sie alles meistern konnten.
    Gott, es würde ihr so guttun, Jane zu Hause zu haben. Allein schon ihre Stimme zu hören, hatte sie aufgemuntert. Leise öffnete sie die Schlafzimmertür, ging ins Bad und zog sich an.
     
    »Wohin gehst du?«, fragte Joe schläfrig, als sie wieder aus dem Bad kam. Er stützte sich auf einen Ellenbogen. »Es ist ja noch dunkel.«
    »Schlaf weiter.« Eve beugte sich zu ihm hinunter und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. »Ich fahre zum Flughafen, um Jane abzuholen. Sie hat mich gerade aus New York angerufen, wo sie zwischengelandet ist.«
    »Ich dachte, ich hätte sie überzeugen können, in Paris zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher