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Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Titel: Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Autoren: Werner Kraus Hans von Storch
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Verfeinerung der Szenarien waren natürlich Anstrengungen nötig; insbesondere war zu klären, welche Anpassungen bei einer Klimaänderung von x Grad in y Jahren für die verschiedenen Sektoren der Gesellschaften und Regionen auf dieser Welt erforderlich werden – etwa für Landwirtschaft, Küstenschutz oder die Gesundheit von Menschen inStädten. Hierzu wurde das „Downscaling“-Konzept entwickelt. Die Idee dabei ist, dass das regionale Klima im Wesentlichen aus drei Elementen zusammengebraut wird: dem globalen Klimazustand, den regionalen Details etwa einer Küste, einer Gebirgslandschaft oder einer Stadt sowie regionalen Prozessen, also z. B. kleinräumigen Land-Meer-Zirkulationen oder Fön-Winden. Diesen Zusammenhang kann man, wenn man genügend viele und genügend gute Daten hat, empirisch formulieren; eleganter, aber aufwändiger ist der Einsatz prozessbasierter Simulationsmodelle. Mit ihnen kann man bisweilen auch direkt auf die Wirkung des Klimawandels schließen, etwa auf Seegangsverhältnisse oder landwirtschaftliche Erträge.
    Nach diesen Erfolgen – insbesondere die Verfügbarkeit von Klimamodellen, Erkennung und Zuweisung, Szenarienfähigkeit und Downscaling – reduzierte sich Mitte der 1990er Jahre die Arbeit am Max-Planck-Institut mehr und mehr auf technische Aspekte und graduelle Verbesserungen. Man vervollständigte Modellsysteme, sodass auch Stoffkreislaufe und Vegetation berücksichtigt werden, sammelte mehr Wissen über erdgeschichtliche bzw. historische Klimazustände und bemühte sich um eine regionalspezifische Darstellung des zunächst als global erkannten menschengemachten Klimawandels: alles gute und interessante naturwissenschaftliche Fragestellungen. Klaus Hasselmann aber wandte sich der Quantenphysik zu, dem, was die Welt im Innersten zusammenhält, und überließ die Klimaforschung nach seiner Emeritierung konsequenterweise anderen.
    Die seinerzeit am MPI entwickelten Methoden sind weitgehend Routine geworden, und die Abschätzung, was denn ein Klimaänderungsszenario für den Blühtermin von Schneeglöckchen in Schleswig-Holstein oder die Veränderung von sommerlichen Niederschlagsmengen in Brandenburg bedeutet, stellt im Prinzip keine Herausforderung mehr dar. Wobei in der Regel davon ausgegangen wird, dass sich eben nur das Klima ändert. Dass dies aber gerade nicht der Fall ist, ist sicher. Man betrachte nur die Entwicklung in den Schwellenländern und deren Großstädten, und man bekommt leicht eine Ahnung davon, dass Gesellschaft alles andere als eine statische Größe ist. Hinzu kommt noch, dass wir seit eh und je mit Überraschungen konfrontiert werden, wie sie gesellschaftlichen Entwicklungen nun mal immanent sind. Wer hätte 1960 beispielsweise HIV voraussagen können? Nimmt man den Faktor hinzu, dass die Unsicherheiten, welche die globalen Klimaänderungsszenarien kennzeichnen, „vererbt“ werden an Aussagen über regionalen Klimawandel und dessen Wirkung, so nimmt die Sicherheit der Aussagen immer weiter ab. Das kann so weit gehen, dass die Abschätzungen von veränderten Klimawirkungen sinnlos werden, weil nicht mal das Vorzeichen bestimmt werden kann, also etwa, ob Windgeschwindigkeiten zu- oder abnehmen werden. Blieben noch geringe Restzweifel bei der Schlussfolgerung, dass Emissionen das Klima erwärmen, so sind die Restzweifel meist deutlich größer, wenn wir in die regionalen Details des Wandels und seiner Wirkung gehen. Dennoch war ein erster Schritt getan, das Klima als gesellschaftliche Größe darzustellen, berechenbar und damit auch regierbar zu machen – wenn auch mit mehr Fragezeichen als Gewissheiten.
    In diesen Modellen war Gesellschaft nicht nur in Form von erhobenen Daten enthalten, sondern zugleich auch als eine Vorstellung von Gesellschaft und von Wissenschaft. Die Wissenschaft wurde als außerhalb der Gesellschaft stehend begriffen und die Gesellschaft als eine fixe Größe, bestehend aus einer Ansammlung von Daten. Erst so wurde es möglich, der Wissenschaft die Autorität zu verleihen, die Politik darüber zu informieren, wie die einmal so beschriebene Gesellschaft klimagerecht zu steuern sei. Dieses sogenannte „lineare Modell“ stößt immer wieder an seine Grenzen, da es die eigenen Voraussetzungen und die eigenen Annahmen nicht hinterfragt. Werden diese nicht angemessen mitgedacht, ist ein Scheitern wie das der jüngsten Klimagipfel vorprogrammiert, wo das 2-Grad-Ziel als absolute Größe gesetzt wurde.Die Verwandlung wissenschaftlicher
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