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Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Titel: Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Autoren: Werner Kraus Hans von Storch
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damaligen Erwartungen entsprach: Klimaschwankungen können wie Rauch ohne Feuer, also ohne erkennbare Ursache sein. Oder man zieht zur Erklärung von unerwarteten Änderungen das vielbeschworene Bild vom Flügelschlag eines Schmetterlings zur Hilfe, nur dass im Klimasystem unendlich viele „Schmetterlinge“ unterwegs sind, deren Flügelschläge ebenso unendlich viele Ereignisse auslösen können, sodass man sie in der Summe nur noch als Zufall beschreiben kann; das System wird so zu einem zufällig getriebenen – man sagt auch stochastischen – System, in dem scheinbar gewürfelt wird. 7
    Eine längerfristige Abweichung von einem historisch als „normal“ wahrgenommenen Zustand braucht keine Erklärung durch externe Faktoren, seien es Vulkanismus, Treibhausgase, Sonnenaktivität, andere kosmische Vorgänge oder sonstige Ursachen. Vielmehr können solche Abweichungen einfach natürlichen Ursprungs sein, also aufgrund interner Wechselwirkungen im Klimasystem entstehen. Mit dieser Feststellung war zugleich eine wesentliche Aufgabe definiert: Unter welchen Umständen müssen wir davon ausgehen, dass eine Entwicklung nicht mehr rein natürlichen Charakters ist, sondern externe Ursachen hat? Und, wenn dem so ist, welche Ursachen sind für eine Veränderung plausiblerweise verantwortlich zu machen? In der Wissenschaft heißt dieses Verfahren „Erkennung und Zuweisung“, also die Erkennung von externen Wirkungen und die Zuweisung von plausiblen Gründen. Detection and attribution wurden denn auch zu einem der Markenzeichen des neuen MPI, und es war Klaus Hasselmanns persönliche Leistung, dass die Aufgabe erfolgreich gemeistert wurde. Er identifizierte die Emission von Kohlendioxid als wesentliche externe Ursache für die ablaufende globale Erwärmung.
    Das MPI war vor allem gegründet worden, um Klimaschwankungen zu untersuchen. Es war bekannt, dass die Kohlendioxid-Konzentrationen in der Atmosphäre zunahmen. Diese Einsicht verdankt sich der berühmten Reihe der Konzentrationsmessungen auf dem hawaiianischen Vulkan Mauna Loa, die von Charles David Keeling 1958 begonnen wurden. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hatte der Nobelpreisträger Svante Arrhenius die Hypothese formuliert, dass erhöhte Treibhausgaskonzentrationen zu Änderungen derTemperatur führen müssten, sodass eindeutig Forschungsbedarf bestand. Das MPI war von Anfang an daraufhin konzipiert, auch die Bedeutung der Kohlendioxid-Emissionen für den Klimawandel zu quantifizieren. Aber für die Mitarbeiter war diese Zeit dennoch eine der fast spielerischen Arbeit am Gegenstand, dem Klima, getrieben von der Neugier und fern vom Licht der Öffentlichkeit. Im alltäglichen Vordergrund standen Themen wie die Konstruktion von Klimamodellen, Signalanalyse, Vorhersagbarkeit oder statistische Methodik. Dabei ging es meist nicht um CO 2 als Ursache des Klimawandels, sondern um viele andere Aspekte des Klimas und seines Funktionierens. Ein großes Thema, das lange im Vordergrund stand, war zum Beispiel die große, natürliche Klimaschwankung ENSO, 8 die sich in einer Abfolge großräumiger Anomalien im Pazifischen Ozean – dem El-Niño-Phänomen – manifestiert.
    Doch Anfang der neunziger Jahre ging es zu Ende mit dieser zumindest im Nachhinein unschuldig erscheinenden Zeit aufregender und weitgehend rein akademischer Forschung jenseits der Öffentlichkeit. Richtig deutlich wurde das mit der Veröffentlichung der ersten Klimaänderungsszenarien im Jahr 1990 unter der Federführung von Ulrich Cubasch, der am MPI für die Entwicklung von Klimaänderungsszenarien mit Modellen zuständig war: Mit einem ersten „gekoppelten“ Klimamodell wurden „transiente“ Szenarien gerechnet, die beschreiben, was geschehen kann, wenn durch menschliche Produktion die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre stetig erhöht wird. „Gekoppelt“ war ein enger technischer Begriff, der die Sache nicht genau traf. Gemeint war, dass Modelle von zwei Komponenten des Klimasystems zusammengekoppelt wurden, zum einen eine Atmosphäre, genauer im Wesentlichen der untere Teil, die Troposphäre, und zum anderen ein Ozean. Beide Modellkomponenten waren dynamisch, d. h. von der Art „Änderung von Zustand X = Summe von Wirkungen der Prozesse A, B, C etc.“. Man glaubte, wohl zu Recht, dass in diesem gekoppelten Modelldie wesentlichen Eigenschaften zur Bestimmung der klimatischen Reaktion auf erhöhte Konzentrationen von atmosphärischem Kohlendioxid ausreichend gut beschrieben
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