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Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Titel: Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Autoren: Werner Kraus Hans von Storch
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den Medien verliefen anfangs oft noch ungelenk und nicht unfallfrei. Mancher Klimaforscher musste erkennen, dass Journalisten nicht zimperlich sind im Umgang mit trockenen Details und diese gerne ausschmücken. Da konnte es schon passieren, dass ein anerkannter Klimaforscher wie Mojib Latif im Jahr 2000 im Spiegel mit der Aussage zitiert wurde, dass es „Winter mit starkem Frost und viel Schnee wie noch vor zwanzig Jahren (…) in unseren Breiten nicht mehr geben” werde, und alsbald vom Wetter widerlegt wurde. Viele der Forscher, die damals von Journalisten interviewt und später in Talkshows eingeladen wurden, lernten schnell, dass man sich in den Medien den Ruf leicht ramponieren kann. Die Welt kann für die Medien nicht oft genug untergehen, und sie verwandeln hypothetische Aussagen ohne mit der Wimper zu zucken in Gewissheiten. Im Gegenzug können auch Wissenschaftler den Verlockungen von öffentlichem Ruhm und Anerkennung nicht immer widerstehen – oder haben Angst, im Kampf um Aufmerksamkeit ignoriert zu werden. Es blieb nicht aus, dass einige von ihnen von den Medien häufiger gefragt wurden als andere, sei es wegen ihres Status oder ihres Medientalents oder beidem. Voraussetzung dafür ist ein wiedererkennbares Medienimage. So erweist sich zum Beispiel bis heute Mojib Latif als äußerst eloquenter Gesprächspartner, Hans Joachim Schellnhuber wird gern in nachdenklicher Pose gezeigt, mit der Hand auf die Erdkugel in seinem Büro gestützt. Doch trotz – oder gerade wegen – der ungewohnten Medienaufmerksamkeit konnte das Thema, um das es ging, in dieser aufgeregten Atmosphäre eigentlich gar nicht mehr neutral und differenziert behandelt werden, es war zu sehr mit Bedeutungen und Erwartungen aufgeladen. Der „Katastrophismus“ drohte den Blick auf die Frage, was es eigentlich mit dem menschengemachten Klimawandel auf sich hat, zu verstellen oder zumindest einzuengen – für differenzierte Darstellung blieb kaum Raum.
    Ein Beispiel vom Anfang der neunziger Jahre: Damals wurde unter den Klimaforschern diskutiert, warum man einer Vermutung, die vor allem im Norden Deutschlands für Aufsehen sorgte, nicht entschieden entgegengetreten war, sondern sie eher noch aufgewertet hatte. Demnach sei die damalige Häufung von regionalen Stürmen in Westeuropa eine Manifestation des menschgemachten Klimawandels, die sich in Zukunft noch verstärken würde. Man hatte diese Behauptung relativ ungeprüft übernommen, zumal es auch ein entsprechendes Rascheln im medialen Blätterwald verursachte. Eigentlich hätte die schlichte Beobachtung, dass wir im wärmeren Sommer tatsächlich weniger Sturmaktivität haben als im kälteren Winter, Vorbehalte auslösen müssen. Zudem können Beobachtungen über Windverhältnisse über die Jahrzehnte kaum verglichen, also keine belastbaren Aussagen auf diese Weise abgeleitet werden. Wenn man aber lokale Luftdruckdaten analysiert (nicht umsonst steht auf den Barometern am unteren Ende der Skala „stürmisch“!), ist eine Untersuchung veränderlicher Sturmtätigkeit möglich – mit dem Ergebnis, dass sich zumindest in Norddeutschland seit Anfang des 20. Jahrhunderts die Sturmtätigkeit nicht nennenswert verstärkt hatte. Solche Momente kritischer Selbstreflexion, wie sie heute nur noch undeutlich erinnert werden, gingen in der allgemeinen Aufregung unter, welche die zentrale Botschaft von den Treibhausgasen auslöste.
    Vergleichbare Fehleinschätzungen nahmen im Laufe der Zeit eher zu als ab, doch sie sollten sich erst später rächen und öffentlich diskutiert werden. Vorerst suchten die Klimaforscher den Fehler einfach bei der Sensationsgier der Medien und der Ungebildetheit der Journalisten. Doch die Öffentlichkeit ist kein luftleerer Raum, und auch ein Max-Planck-Institut liegt nicht auf einem fernen Planeten, von wo aus die Erde und deren Klima beobachtet werden, sondern an der Bundesstraße in Hamburg oder irgendeiner anderen Adresse, wo der Zeitgeist ebenfalls weht. Zuerst verengte sich die Klimaforschung immer mehr auf die Frage der Emissionen und des menschengemachten Klimawandels, und dann wuchsen der gesellschaftliche Druck, als Autoritäten vor der Katastrophe warnen zu sollen, und das Begehren, diesem Druck nachzugeben, zu gleichen Teilen. Vielleicht ohne sich dessen bewusst zu sein, wurde die Klimaforschung zum Standortbestimmer und Zukunftsorakel einer vom Klimawandel verunsicherten Gesellschaft.
    So auch im August 2002, als die Elbeflut ihren Höhepunkt erreichte
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